Betreff
Straßenbeitragssatzung – weiteres Vorgehen in der Stadt Friedberg (Hessen) nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung zur Erhebung von Straßenbeiträgen am 7.6.2018
Vorlage
16-21/0814
Aktenzeichen
60/DrPf
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussentwurf:

Das Land Hessen wird aufgefordert, die finanziellen Lasten zur Erhaltung und Sanierung kommunaler Straßen aus Landesmitteln selbst zu tragen oder den Kommunen einen finanziellen Ausgleich aus Landesmitteln für diese Aufgabe zur Verfügung zu stellen, der ihnen die Finanzierung der Sanierungslasten ermöglicht und so die Heranziehung ihrer Bürgerinnen und Bürger in Form von Straßenbeiträgen entbehrlich macht.

Bis diese Voraussetzung erfüllt ist, wird bezüglich der Möglichkeit zur Erhebung von Straßenbeiträgen in der Stadt Friedberg (Hessen) folgendes Vorgehen beschlossen:

1.     Infolge der städtischen Bemühungen der vergangenen Jahre, Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger infolge der Anwendung der Straßenbeitragssatzung zu vermeiden, ist ein Sanierungsstau eingetreten, der sich im Interesse der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht fortsetzen darf, sondern aufgelöst werden muss.

2.     Es wird festgestellt, dass die Einführung der wiederkehrenden Straßenbeitragssatzung einen hohen Zeit- und langfristigen Personalaufwand erfordert. Der Landeszuschuss, der nach dem Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen mit Wirkung vom 7.6.2018 als Anschubunterstützung einmalig bezogen werden kann, bietet hierfür keinen nachhaltigen Ausgleich.

3.     Die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger und trifft daher regelmäßig auf nachhaltige Ablehnung. Ungeachtet der neuen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Beitragszahlung aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen (seit 7.6.2018 z.B. Stundungsmöglichkeit über 20 Jahre statt seither über 5 Jahre, Zinssatz von maximal 1 % statt seither 3 %) stellt die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge daher eine Ultima Ratio für die Ausschöpfung der städtischen Einnahmequellen dar.

4.     Die vielfältigen und langfristigen Auswirkungen eines Verzichts auf die Erhebung von Straßenbeiträgen auf die Haushaltswirtschaft der Stadt (Wegfall von Erträgen, Notwendigkeit des Ausgleichs durch Erhöhung anderer Erträge oder Reduzierung von Aufwendungen oder Kürzung/Streichung von Investitionen) werden zur Kenntnis genommen (Anlage).

5.     Es wird festgestellt, dass im Entwurf des Haushaltsplans 2019 der gesetzlich zwingende Haushaltsausgleich unter der Voraussetzung einer Erhöhung der Grundsteuer B von 490 v.H. auf 590 v.H. knapp erreicht wird, ohne dass hierfür Straßenbeiträge herangezogen werden müssen.

6.     Vor dem Hintergrund der Situation unter Ziffer 5. wird die Satzung über die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge (Straßenbeitragssatzung) vom 29.12.2014 aufgehoben, sobald die Beiträge für die grundhafte Erneuerung des Gehwegs in der Dieffenbachstraße erhoben worden sind.

7.     In Abhängigkeit von der weiteren haushaltswirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Friedberg (Hessen) bleibt eine künftige neue Entscheidung über die Frage der Erhebung von Straßenbeiträgen vorbehalten, soweit die Erreichung des gesetzesgemäßen Haushaltsausgleichs die Ausschöpfung dieser städtischen Einnahmequelle unabdingbar notwendig macht.

 


Sach- und Rechtslage:

Bisherige Rechtslage und aktuelle Beschlusslage in Friedberg (Hessen)

 

Nach bisherigem Recht war die Stadt Friedberg (Hessen) wegen ihrer defizitären Haushaltslage verpflichtet, Straßenbeiträge in dem vom Kommunalen Abgabengesetz (KAG) zugelassenen Umfang zu erheben. Dieser Pflicht ist sie durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 24.7.2014 mit Erlass einer Satzung zur Zahlung von einmaligen Straßenbeiträgen nachgekommen. Gleichzeitig wurde in der politischen Debatte jedoch seinerzeit ausdrücklich offengehalten, zu einem späteren Zeitpunkt zur wiederkehrenden Form der Beitragserhebung zu wechseln. Hintergrund hierfür war, dass die einmaligen Straßenbeiträge im Fall grundlegender Straßensanierungs- und -erneuerungsarbeiten zu hohen Lasten für die jeweiligen Anlieger führen können. Demgegenüber gestaltet sich mit der wiederkehrenden Satzung die finanzielle Belastung der Abgabenpflichtigen jährlich gleichbleibend und im Verhältnis deutlich geringer. Allerdings wäre die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge mit einem erheblich höheren Vorbereitungs- und Verwaltungsaufwand verbunden gewesen als die einmalige Form der Erhebung, so dass seinerzeit wegen des bestehenden Zeitdrucks (Notwendigkeit der Haushaltsgenehmigung!) zunächst die einmalige Straßenbeitragssatzung eingeführt wurde.

 

Immer wieder entstand danach seit 2014 die Problematik, dass ein sachlicher Bedarf für grundlegende Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten an städtischen Straßen bestanden hat, aufgrund der damit verbundenen Straßenbeitragserhebungspflicht jedoch von Maßnahmen vorläufig abgesehen wurde, um die betroffenen Anlieger nicht finanziell zu belasten. Dieser Zustand war sowohl wegen der notwendigen Erhaltung der Bausubstanz als auch der letztlichen Mehrkosten bei Aufschub notwendiger Maßnahmen nicht dauerhaft hinnehmbar. Auch der Förderung eines attraktiven Stadtbildes sowie einer funktionsfähigen städtischen Infrastruktur als wichtigem Standort- und Wirtschaftsfaktor war dies nicht längerfristig zuträglich. Nach einer Informationsveranstaltung im November 2017 hat die Stadtverordnetenversammlung daher am 7.12.2017 auf einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und UWG einstimmig beschlossen,

·         eine wiederkehrende Straßenbeitragssatzung einzuführen; hierfür wurde der Magistrat beauftragt, einen Satzungsentwurf vorzulegen und alle für den Wechsel erforderlichen Maßnahmen einzuleiten;

·         den Bürgern frühzeitig die Absicht der Einführung der wiederkehrenden Beitragssatzung zu erläutern und

·         für das Haushaltsjahr 2018 und 2019 die erforderlichen Mittel in Höhe von insgesamt 120.000 EUR bereitzustellen, die auch der Vergabe von Leistungen an Dienstleister dienen sollten.

 

Neue Rechtslage seit 7.6.2018

 

Wenige Monate nach der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung hat der Hessische Landtag am 28.5.2018 das Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen beschlossen. Dieses ist am 7.6.2018 in Kraft getreten. In dem Gesetz wird die bisherige Soll-Vorschrift des § 11 Abs. 1 KAG in eine Kann-Vorschrift geändert. In Verbindung mit der gleichzeitigen Neuregelung des § 93 Abs. 2 HGO (Grundsätze der Erzielung von Erträgen und Einzahlungen) besteht danach für Kommunen nun keine KAG-rechtliche Pflicht mehr zur Erhebung von Straßenbeiträgen. Der bisher geltende Vorrang der Erhebung von Straßenbeiträgen nach KAG gegenüber Steuern wurde aufgehoben. 

 

Nach wie vor besteht aber weiterhin unverändert die haushaltsrechtliche Pflicht zum Haushaltsausgleich. Bei defizitärer Haushaltslage muss die Stadt Friedberg daher auch weiterhin alle Möglichkeiten der Einnahmebeschaffung zur Defizitvermeidung ausschöpfen. Sie besitzt nunmehr nur eine größere Entscheidungsfreiheit bei der Schwerpunktsetzung auf die Einnahmequellen.

 

Vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage ist daher nun zu entscheiden, 

a)     ob die Stadt Friedberg (Hessen) von der Möglichkeit der Erhebung von Straßenbeiträgen weiterhin Gebrauch machen oder hiervon Abstand nehmen möchte und

b)    falls Straßenbeiträge erhoben werden sollen, in welcher Form dies erfolgen soll (wiederkehrende oder einmalige Straßenbeiträge?).

 

Bei der Entscheidung über diese Fragen sind sowohl die neu getroffenen Landesregelungen für den Fall der Erhebung von Straßenbeiträgen als auch die aktuellen und künftig geltenden Rahmenbedingungen für die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts verantwortungsvoll zu berücksichtigen.

 

Um die erforderliche Abwägung zwischen den Alternativen A) keine Straßenbeitragssatzung, B) Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge oder C) Erhebung einmaliger Straßenbeiträge in den städtischen Gremien bestmöglich zu unterstützen, werden nachfolgend wesentliche Aspekte für die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in Form einer Folgenbetrachtung dargestellt:

 

Haushaltswirksame Folgen eines Verzichts auf Straßenbeiträge

 

1.     Aufgrund der Pflicht zum jährlichen Haushaltsausgleich würde ein Verzicht auf Einnahmen aus Straßenbeiträgen bedeuten, dass die fehlenden Einnahmen aus den allgemeinen Deckungsmitteln (z.B. Gebühren und Steuern) oder über den Weg der Aufwandsreduzierung (d.h. Kürzung und/oder Streichung von freiwilligen Leistungen) oder durch Kürzung oder Verzicht auf Investitionen kompensiert werden müssten.

 

2.     Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass ab 2019 noch strengere Anforderungen an die Haushaltsgenehmigung als bereits in der Vergangenheit gelten. Der neu gefasste § 97a HGO, der durch das Hessenkassegesetz eingefügt wurde, lautet:

 

§ 97a - Genehmigungsbedürftigkeit der Haushaltssatzung

Die Haushaltssatzung der Gemeinde bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde für

1.    eine Abweichung von den Vorgaben zum Haushaltsausgleich in der Planung (§ 92 Abs. 5),

2.    das Haushaltssicherungskonzept (§ 92 a),

3.    den Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen (§ 102),

4.    die Kreditaufnahme für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (§ 103) und

5.    die Aufnahme von Liquiditätskrediten (§ 105).

 

3.     Verzichtet die Stadt darauf, Grundstückseigentümer an der Finanzierung der städtischen Straßen zu beteiligen, wird – wenn keine anderweitigen Ausgleichsmöglichkeiten bestehen (s.o. 1.) – ihr Kreditbedarf steigen. Gemäß § 3 Abs. 3 Gemeindehaushaltsverordnung muss die ordentliche Tilgung der städtischen Kredite in voller Höhe aus der laufenden Verwaltungstätigkeit erwirtschaftet werden. Soweit dies im laufenden Haushaltsjahr und in der mittelfristigen Finanzplanung nicht gewährleistet und im Haushaltsplan abgebildet ist, wird dies zu einem Hindernis für die Haushaltsgenehmigung werden. Hieraus ergibt sich wiederum der Zwang, entweder andere Erträge (Gebühren, andere Beiträge und/oder Steuern) zu erhöhen oder die Aufwendungen im Ergebnishaushalt zu reduzieren oder andere Investitionen zu kürzen / zu streichen.

 

4.     Weiterhin ist ab 2019 infolge des neu gefassten § 106 HGO in allen Kommunen ein Liquiditätspuffer einzurichten:

 

§ 106 - Liquiditätssicherung, Rücklagen, Rückstellungen

(1)   Die Gemeinde hat ihre stetige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Zur Sicherstellung der stetigen Zahlungsfähigkeit soll sich der geplante Bestand an flüssigen Mitteln ohne Liquiditätskreditmittel in der Regel auf mindestens 2 Prozent der Summe der Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre belaufen.

 

Dies macht aus haushaltswirtschaftlicher Sicht die bestmögliche Ausgestaltung der Liquiditätssituation der Stadt, d.h. die angemessene Ausschöpfung ihrer Einnahmequellen, wünschenswert und erforderlich.

 

5.     Darüber hinaus werden ab 2019 die seitherigen Kassenkredite durch sogenannte Liquiditätskredite abgelöst, deren Regelungen den Handlungsspielraum der Kommunen zusätzlich einengen werden:

 

§105 - Liquiditätskredite

(1)     Zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen kann die Gemeinde Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit (Liquiditätskredite) bis zu dem nach Maßgabe des Abs. 2 in der Haushaltssatzung festgesetzten und genehmigten Betrag aufnehmen, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Diese Ermächtigung gilt über das Haushaltsjahr hinaus bis zur Bekanntmachung der neuen Haushaltssatzung. Liquiditätskredite sollen spätestens bis zum Ende des Haushaltsjahres zurückgeführt werden.

(2)     Die Gemeinde hat den Höchstbetrag der Liquiditätskredite bedarfsgerecht aufgrund einer dokumentierten Liquiditätsplanung festzusetzen. Die Liquiditätsplanung ist der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Der Höchstbetrag der in der Haushaltssatzung festgesetzten Liquiditätskredite bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden.

 

Ein Verzicht auf die Erhebung von Straßenbeiträgen hat nach alledem haushaltswirtschaftlich folgende praktischen Auswirkungen (Hinweis: die betroffenen Konten im Ergebnis- und Finanzhaushalt sind in der Anlage in Form einer Übersicht gelb markiert dargestellt):

 

Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt:

 

·         Straßen sind als Vermögensgegenstände abzuschreiben, die hieraus resultierenden Aufwendungen belasten das ordentliche Ergebnis. Bei einem Verzicht auf die Einnahmen aus Straßenbeiträgen müssen diese Aufwendungen aus anderen Einnahmequellen finanziert werden.

 

·         Für empfangene Investitionsbeiträge (Straßenbeiträge) ist ein Sonderposten in der Bilanz auszuweisen. Die Erträge aus der Auflösung von Sonderposten fließen mit entlastender Wirkung in das ordentliche Ergebnis ein und schaffen so einen teilweisen Ausgleich für die Belastungen durch Abschreibungen. Wenn auf die Erhebung von Straßenbeiträgen verzichtet wird, fällt diese Ertragsposition aus. In Friedberg würden die Straßen dann über Kredite finanziert werden müssen.

 

·         Anhand der Maßnahmen des Investitionsprogramms ergibt sich ein geschätzter durchschnittlicher Sanierungsaufwand an städtischen Straßen von rd. 1,0 Mio. € pro Jahr. Der von der Stadt durchschnittlich zu tragende Eigenanteil beläuft sich pro Jahr auf ca. 34 %, so dass ein Anteil von rd. 66 % auf die Bürger umzulegen ist. Diese Anteile resultieren aus den unterschiedlichen Klassifizierungen der Straßen und den damit verbundenen unterschiedlichen Anteilen der Stadt Friedberg aus § 3 Straßenbeitragssatzung, wonach die Stadt

-       25 % des beitragsfähigen Aufwands trägt, wenn die Verkehrsanlage überwiegend dem Anliegerverkehr dient,

-       50 % trägt, wenn sie überwiegend dem innerörtlichen Verkehr dient und

-       75 % trägt, wenn sie überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient.

 

Somit müssten rd. 660.000 € pro Jahr von den Bürgern in Form von Straßenbeiträgen finanziert werden. Sofern auf die Erhebung von Straßenbeiträgen verzichtet wird, müsste dieser Betrag jährlich durch andere Ertragsquellen ausgeglichen werden oder es müssten Aufwendungen entsprechend reduziert oder andere Investitionsmaßnahmen gekürzt bzw. gestrichen werden. Ein Ausgleich dieser Deckungslücke würde im Ergebnishaushalt z.B. einer Hebesatzerhöhung der Grundsteuer B um 60 v.H. entsprechen.

 

·         Wenn an sich beitragsfähige Maßnahmen in Friedberg kreditfinanziert werden, entstehen Zinsbelastungen, die als Finanzaufwendungen zusätzlich das ordentliche Ergebnis belasten.

 

Auswirkungen auf den Finanzhaushalt:

 

·         Einzahlungen aus Straßenbeiträgen verbessern den Zahlungsmittelfluss aus Investitionstätigkeit, senken so den Kreditbedarf der Stadt und verbessern insgesamt ihre Liquiditätssituation. Der Verzicht auf Straßenbeiträge hat umgekehrt eine Verringerung des Zahlungsmittelflusses aus Investitionstätigkeit, eine Erhöhung des Kreditbedarfs und eine Verschlechterung der städtischen Liquiditätssituation zur Folge.

Der Nachweis der gesetzlich geforderten Liquidität im Haushaltsplan ist ein wesentliches Element für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt durch die Kommunalaufsicht (vgl. hierzu auch S. 628 ff. des Haushaltsplans 2018: Finanzstatusbericht) und somit eine wesentliche Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit des städtischen Haushalts.

·         Soweit an sich beitragsfähige Maßnahmen kreditfinanziert werden, muss der Zahlungsmittelfluss aus laufender Verwaltungstätigkeit entsprechend höher sein, damit die ordentliche Tilgung dieser zusätzlichen Kredite gewährleistet wird. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen im Ergebnishaushalt wiederum in gleicher Höhe zusätzliche Erträge (z.B. Gebühren, Steuern) erzielt oder Aufwendungen eingespart werden (Kürzung und/oder Streichung von freiwilligen Leistungen).

 

Soweit vor dem Hintergrund dieser Gegebenheiten in Friedberg die Straßenbeitragspflicht weiterhin fortbestehen soll, stellt sich die Frage nach der bestmöglichen Form der Beitragserhebung. Hierzu nachstehende Informationen:

 

 

 

 

Neuregelungen des Landesgesetzgebers für die Erhebung von Straßenbeiträgen ab 7.6.2018

 

Zur relativen Entlastung der Abgabenpflichtigen und zur Verfahrensunterstützung für die Kommunen im Rahmen des in Hessen bestehenden Systems (siehe hierzu allerdings Hinweise der kommunalen Spitzenverbände auf die in anderen Bundesländern kommunalfreundlicheren und bürgerfreundlicheren Regelungen zur Finanzierung von Straßensanierungen mit originären Landesmitteln) hat der Landesgesetzgeber mit Wirkung vom 7.6.2018 folgende Neuregelungen für den Fall der Einführung bzw. Anwendung einer Straßenbeitragssatzung getroffen:

 

Für einmalige Straßenbeiträge:

·         In § 11 Abs. 12 KAG wurden die Stundungsmöglichkeiten für die Beitragspflichtigen erweitert, so dass nunmehr Ratenzahlungen über einen Zeitraum bis zu 20 Jahren möglich sind (seither: maximal 5 Jahre). Darüber hinaus müssen Beitragspflichtige keinen Nachweis eines berechtigten Interesses mehr vorlegen, wenn sie ihre Beitragsschuld in Raten zahlen möchten.

·         Zusätzlich wurde der seither vorgeschriebene Zinssatz im Fall der Stundung von höchstens 3 % um 2 % auf nunmehr nur noch höchstens 1 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB verringert (§ 11 Abs. 12 KAG).

 

Für wiederkehrende Straßenbeiträge:

·         Bei der Bildung von Abrechnungsgebieten ist nur noch ein räumlicher Zusammenhang erforderlich. Den vorher geforderten, aufwendig zu begründenden und stets mit Rechtsrisiken behafteten zusätzlichen Nachweis eines funktionalen Zusammenhangs hat der Gesetzgeber gestrichen (vgl. § 11 a Abs. 2 a) KAG).

·         Der Landtag hat zudem ein separates, rückwirkend zum 1.1.2018 in Kraft getretenes Gesetz zum pauschalen Ausgleich der Kosten bei der Einführung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen beschlossen. Demnach zahlt das Land für die Aufwendungen zur Bildung der Abrechnungsgebiete auf Antrag einen einmaligen finanziellen Ausgleich. Dieser beträgt 5,00 € je Einwohner, jedoch mindestens 20.000 € je Abrechnungsgebiet. In Friedberg würde das bei der Bildung von maximal sechs Abrechnungsgebieten einen Zuschuss in Höhe von ca. 120.000 bedeuten. Erst nach Bildung sämtlicher Abrechnungsgebiete wird die Ausgleichszahlung anhand der vom Hessischen Statistischen Landesamt für die Stadt veröffentlichten Einwohnerzahl zum 31. Dezember 2016 berechnet und eine sich ergebende Differenz zum Mindestbetrag ausgezahlt.

 

Voraussetzungen für die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge gemäß aktueller Beschlusslage in Friedberg (Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 7.12. 2017)

 

Die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge in Friedberg und somit die Umsetzung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 7.12.2017 würde folgende Arbeitsschritte voraussetzen:

 

Nr.

Aufgaben

Zeitbedarf ab Stv-Beschluss

1

Interessenbekundungsverfahren und Erstellung Leistungsprogramm zur Ausschreibung der notwendigen Ingenieurleistungen zur Einführung der wiederkehrenden Straßenbeitragssatzung

3 Monate

2

Ausschreibung und Vergabe Ingenieurleistungen (Fachbüro)

3 Monate

3

Beauftragung eines Fachbüros zur Erarbeitung der Grundlagen für die wiederkehrende Straßenbeitragssatzung in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtswesen

 

-       Bildung Abrechnungsgebiete und Gemeindeanteil

-       Zustandserfassung und Auswertung aller städtischen Verkehrsflächen

-       Bestandserhebung aller Gebäude (Ermittlung der Zahl der Vollgeschosse, Nutzungsart, beplante und unbeplante Bereiche)

-       Bürgerbeteiligung (Selbstauskunft) und Datenabgleich

-       Erstellung Bauprogramm einschl. Flächenermittlung und Kostenschätzung mit Beschluss Prioritätenliste

-       Adressabgleich mit Grundsteuerakten

-       Ermittlung der gezahlten Erschließungsbeiträge in den letzten 25 Jahren im Stadtgebiet (Befreiungszeitraum)

-       Festlegung Abrechnungszeitraum

 

12 Monate

4

Beratung und Beschlussfassung der städtischen Gremien

x Monate

5

Inkrafttreten der Straßenbeitragssatzung

x Tage

 

Der o.a. Zeitraum ist abhängig von der personellen Struktur

-       des Amtes für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtwesen – Tiefbauabteilung, Planungsabteilung, Bauverwaltung

-       des Amtes für öffentliche Sicherheit und Ordnung – Gewerbeabteilung

-       der Kämmerei und Stadtkasse.

 

Der Aufwand der Einführung und künftigen Anwendung einer wiederkehrenden Straßenbeitragssatzung wird vom Amt für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtspflege wie folgt geschätzt:

 

a)     Beauftragung zweier externer Büros: einmalige Kosten in Höhe von ca. 140.000 EUR; hiervon wäre ein Betrag von 20.000 EUR je Abrechnungsgebiet durch die o.g. Landesförderung finanzierbar, so dass ein Eigenanteil der Stadt Friedberg in Höhe von ca. 20.000 EUR verbliebe (die erforderlichen Mittel sind im Haushalt 2018 und 2019 eingestellt);

b)    Personalaufwand städtischer Mitarbeiter/innen bis zur Einführung der Satzung: 1 Vollzeitstelle für mindestens ein Jahr (betrifft o.g. Ämter und Abteilungen);

c)     Personalaufwand für die Beitragserhebung / Widerspruchsverfahren / künftige Pflege / Fortschreibung der Daten, die der Beitragserhebung zugrunde liegen: 1 Vollzeitstelle

 

Nach alledem würde mit der Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge frühestens Anfang 2020 gerechnet werden können, was bedeutet, dass zuvor keine Straßen saniert werden könnten. Mit den Maßnahmen in der Housing Area und in der Straße „Friedberger Straße“, die aufgrund der Verkehrssicherungspflicht dringend notwendig sind, könnte frühestens in 2020 begonnen werden.

 

Darüber hinaus würde die Einführung der wiederkehrenden Straßenbeitragssatzung zu einem erhöhten ämterübergreifenden Verwaltungsaufwand führen. Zudem könnte es zu einem erhöhten Konfliktpotenzial im Umgang mit Bürgern kommen, da die individuelle Erschließungssituation unberücksichtigt bliebe. Auch wäre infolge der wiederkehrenden Straßenbeitragssatzung ein erhöhtes Anspruchsdenken der Bürger bezüglich Sanierungsmaßnahmen in ihrem unmittelbaren Umfeld zu erwarten.

 

Folgen im Fall der Beibehaltung der Erhebung einmaliger Straßenbeiträge

 

Im Falle der Beibehaltung der aktuell geltenden Straßenbeitragssatzung würden die Neuregelungen des Landesgesetzgebers vom 28.5.2018 (Stundungsmöglichkeiten bis zu 20 Jahren ohne notwendigen Nachweis eines berechtigen Interesses durch die Beitragspflichtigen, Stundungszinssatz höchstens 1 %) zur Anwendung gebracht werden können.

 

Voraussetzung bei Abschaffung einmaliger Straßenbeiträge

 

Zu beachten ist, dass einmalige Straßenbeiträge, die bereits entstanden sind, zu erheben sind. Dies hat zur Folge, dass in Friedberg die angefallenen Kosten für die Sanierung des Gehwegs in der Dieffenbachstraße in jedem Fall in Form einmaliger Beiträge abgerechnet werden müssen. Eine Abschaffung der Straßenbeitragssatzung oder eine Umstellung auf die wiederkehrende Variante wäre erst nach dieser Abrechnung möglich.

 

Rechtliche Regelungen für die Finanzierung kommunaler Straßensanierungen in anderen Bundesländern

 

Zum Vergleich mit den hessischen Regelungen für die Finanzierung kommunaler Straßensanierungen werden nachfolgend die Regelungen in zwei anderen Bundesländern dargestellt:

 

KAG Bayern (Gesetzentwurf)

 

Der Gesetzentwurf des Landes Bayern sieht vor, ab 1.1.2019 die Erhebung von Straßenbeiträgen zu untersagen. In Art. 5 soll es dazu heißen: „Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen … werden keine Beiträge erhoben.“ Weiterhin ist vorgesehen, dass die Kommunen vom Land einen finanziellen Ausgleich erhalten sollen, der sich in der ersten Stufe auf jährlich 65 Mio. EUR beläuft. Die Kommunen sollen auf Antrag die ausfallenden Beiträge erstattet bekommen. Zukünftig ist geplant, den Gemeinden eine pauschale Finanzierungsbeteiligung des Landes zu gewähren.

 

KAG Baden-Württemberg

 

Das KAG Baden-Württemberg sieht keine Erhebung von Straßenbeiträgen vor. Ein Finanzausgleich wird in Form eines Sonderlastenausgleichs, dem sog. Verkehrslastenverbund (§ 24 BW KAG), gewährt. Dabei stellt das Land den Kommunen zweckgebunden für Verkehrsaufgaben einen Anteil von 17,54 % an den Ersatzleistungen des Bundes für die zum 1.7.2009 in die Ertragshoheit des Bundes übergegangene Kfz-Steuer zur Verfügung. Darüber hinaus erhalten die Kommunen auch pauschale Investitionszuweisungen für den Bau, Um- und Ausbau von Straßen in kommunaler Baulast.

 

Fazit

 

Das Land Hessen wird daher aufgefordert, die finanziellen Lasten zur Erhaltung und Sanierung kommunaler Straßen künftig aus Landesmitteln selbst zu tragen oder den Kommunen einen finanziellen Ausgleich aus Landesmitteln für diese Aufgabe zur Verfügung zu stellen, der ihnen die Finanzierung der Sanierungslasten ermöglicht und so die Heranziehung ihrer Bürgerinnen und Bürger in Form von Straßenbeiträgen entbehrlich macht.

 

Anlagen:

 

Übersicht der haushaltswirtschaftlichen Konsequenzen bei einem Verzicht auf die Erhebung von Straßenbeiträgen (betroffene Konten im Ergebnishaushalt und Finanzhaushalt)