Betreff
Natur- und Erholungsgebiet Winterstein
hier: Vereinbarung zur Entwicklung eines Windparks (Absichtserklärung)
Vorlage
21-26/0138
Aktenzeichen
60/1-YB
Art
Beschlussvorlage

Beschlussentwurf:

 

1.         Die Stadtverordnetenversammlung stimmt dem Abschluss einer Vereinbarung mit den Kommunen Rosbach v. d. Höhe, Wehrheim und Ober-Mörlen sowie dem Bundes- und Hessenforst zur Errichtung eines gemeinsamen Windparks im Bereich des Wintersteins mit folgenden Eckpunkten zu:

 

·      Entwicklung eines aufeinander abgestimmten Windparklayouts

·      Die Beanspruchung der Waldflächen ist auf den absolut notwendigen Umfang zu beschränken

·      Berücksichtigung der wichtigen Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen des Waldes

·      Entwicklung von Beteiligungsmodellen für Bürger und beteiligte Kommunen

·      Festlegung eines Verteilungsschlüssels für die Einnahmen bei besitzarten-übergreifenden Anlagenstandorten (40 % Standortfläche, 20% Rodungsfläche, 40 % Flächen für Baulasten)

 

2.         Das Bauleitplanverfahren „Natur- und Erholungsgebiet Winterstein“ wird ausgesetzt.

 


Sach- und Rechtslage:

 

Chronologie/Sachstand

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Friedberg (Hessen) hat am 10.05.2012 beschlossen, dem Regionalverband eine Vorrangfläche für Windenergieanlagen (WEA) im Bereich Winterstein vorzuschlagen. Alle anderen Flächen im Stadtgebiet sollten ausgeschlossen werden.

Ferner wurde beschlossen, dass die Windenergieanlagen konzentriert in einem Windpark zusammengefasst werden sollen. Dies sollte in Abstimmung mit den angrenzenden Nachbarkommunen und Waldeigentümern erfolgen. Ziel war es, nach Möglichkeit einen gemeinsamen Windpark zu errichten.

Bereits im Vorfeld dieses Beschlusses fanden mehrere Gespräche mit den Nachbarkommunen Rosbach v. d. Höhe, Wehrheim und Ober-Mörlen sowie dem Bundes- und Hessenforst bezüglich einer gemeinsamen Windparkplanung statt.  

Nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wurde eine tierökologische Untersuchung durchgeführt und ein Fachbüro mit der Planung des Windparks beauftragt.

Um die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, der Natur, der Tierwelt und der Erholungssuchenden auf ein verträgliches Maß zu beschränken, wurde bei den Vorplanungen die Anzahl der WEA des gesamten interkommunalen Windparks auf maximal neun Anlagen beschränkt.

 

Abgrenzung des geplanten Windparks, Stand: 2012

Es fanden informelle Gespräche mit Windparkbetreibern und Banken statt.

Es wurde eine Stellungnahme der Denkmalpflege wegen den Schutzzonen des Weltkulturerbes Limes eingeholt.

Der geplante Windpark befand sich zudem im 15‑km‑Radius eines Funkfeuers (VOR Metro in Nidderau-Erbstadt). Funkfeuer übermitteln Navigationsdaten an Flugzeuge und dienen damit der Flugsicherheit. Der 15-km-Radius ist ein Prüfradius. Es wird von der Flugsicherung geprüft, ob eine Beeinträchtigung des Funkfeuers von den geplanten WEA ausgehen könnte.

Es wurde über das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) eine Stellungnahme der Flugsicherung zu der Planung eines Windparkbetreibers für neun WEA eingeholt.

In zwei Schreiben vom Januar und August  2013 an das RP haben das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die Deutsche Flugsicherung erklärt, dass im 15-km-Radius mit Ablehnung von WEA zu rechnen ist. Acht der neun WEA befanden sich in diesem Radius. Die verbleibende WEA wurde von der Denkmalpflege wegen der Nähe zum Limes abgelehnt.

Zu diesem Zeitpunkt stand noch ein Urteil in einem Berufungsverfahren des Windenergieunternehmens ABO-Wind aus Wiesbaden gegen die Ablehnung von vier WEA in Nieder-Erlenbach aus. Die WEA sollten in einer Entfernung von 11 km von dem Funkfeuer errichtet werden.

Des Weiteren standen zwei Gutachten aus, die mehrere Bundesländer, darunter auch Hessen, in Abstimmung mit der Flugsicherung in Auftrag gegeben hatten. Die Gutachten sollten Aufschluss über die Wirkung von WEA auf Flugsicherungsanlagen geben.  

Im Juni 2013 fanden zwei Workshops zum Thema „Windpark Winterstein“ für die Mitglieder der kommunalen Gremien der beteiligten Kommunen statt. In diesem Workshop wurden alternative Lösungskonzepte für den Windpark vorgestellt und die wesentlichen technischen, juristischen, ökologischen und wirtschaftlichen Problemfelder behandelt.

Aufgrund der vorstehenden Problematik sind die Planungen für den Windpark am Winterstein dann ins Stocken geraten.  

Mit Urteil vom 04.07.2016 hat das Bundesverwaltungsgericht der entschieden, dass ein Bauverbot nach § 18 a Luftverkehrsgesetz (LuftVG) keine Gewissheit voraussetzt, dass eine Flugsicherungseinrichtung gestört wird; vielmehr reicht die Möglichkeit einer Störung aus.

Im August 2016 hat die Futura AG (Koblenz) einen Antrag zur Errichtung von sechs WEA auf Waldflächen des Bundes in Friedberger und Rosbacher Gemarkung beim RP Darmstadt gestellt, ohne dass vorher eine Abstimmung mit den Städten und Gemeinden und dem Hessenforst stattgefunden hat. Die sechs beantragten WEA befanden sich im 15-km Radius des Funkfeuers.

Der „Winterstein“ ist ein beliebtes, vielfältig genutztes und wertvolles Naherholungsgebiet. Dort wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Regenrückhaltung umgesetzt. Dies waren wichtige Beiträge zum Hochwasserschutz für die umliegende Wohnbebauung, weitere Maßnahmen sind geplant. Der Wald übt dadurch auch gleichzeitig eine wichtige Funktion bei der Grundwasserneubildung in den Gemarkungen von Rosbach, Friedberg und Ober-Mörlen aus. Hochwasserschutz und Grundwasseranreicherung sind angesichts der spürbaren Folgen des Klimawandels äußerst wichtige Maßnahmen. 

Um sicherzustellen, dass durch eine nicht abgestimmte Errichtung eines Windparks auf den Flächen des Bundes die wichtigen Funktionen des Waldes nicht gefährdet und die weiteren Planungen eines interkommunalen Windparks nicht massiv eingeschränkt werden, haben die beteiligten Kommunen die Aufstellung eines Bebauungsplanes mitsamt einer Veränderungssperre in die Wege geleitet.   

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Friedberg hat am 08.12.2016 die Aufstellung des Bebauungsplanes „Natur- und Erholungsgebiet Winterstein“ Teilbereich Friedberg (Hessen) beschlossen. Wesentliche Ziele und Inhalte des Bebauungsplanes sind:

·      Nutzungen im Wald strukturieren

·      Einrichtung weiterer Biotope (Schaffung von Ökopunkten für den Ausgleichsbedarf in Baugebieten, um wertvolle Ackerflächen zu schonen)

·      Umsetzung weiterer Maßnahmen zur Regenrückhaltung  

·      Optimierung des Waldwegenetzes

·      Überprüfung und ggf. Verbesserung des Wegeleitsystems (Wildschutz, Forstbetrieb, Wanderer, Jogger, Radfahrer und Reiter)

·      Errichtung eines Naturlehrpfades

·      Errichtung eines Flowtrails für Mountainbiker

·      Einrichten von Freihaltezonen zum Schutz des Weltkulturerbes Limes und der Kapersburg

·      Festlegung von geeigneten Standorten für Windenergieanlagen (WEA)

Die beteiligten Nachbarkommunen haben gleichlautende Beschlüsse für ihre Gemarkungen gefasst, das Verfahren war abgestimmt. 

In den Vegetationsperioden 2017 und 2018 wurden umfangreiche Bestandsaufnahmen der Vegetation und der Tierwelt (u.a. Großvogelarten und Fledermäuse) durchgeführt. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und die Erfassung sonstiger planungs- und abwägungsrelevanter Themen wurden in den folgenden drei Karten zusammengefasst:

·      Waldfunktionen und potenzielle Quellrenaturierungsflächen

·      Wertgebende Waldbestände und planungsrelevante Vogelarten

·      Touristische Infrastruktur und Kulturgüter

Wegen des massiven Borkenkäferbefalls infolge der trockenen Sommer 2018 und 2019 mussten großräumig Fichtenbestände gerodet werden. Diese Rodungsmaßnahmen haben zu gravierenden, strukturellen Veränderungen geführt, die Nachkartierungen erforderlich machten und sich auch unmittelbar auf die Festsetzungen des Bebauungsplanes auswirkten.

Die beantragten sechs WEA auf den Waldflächen des Bundes wurden zwischenzeitlich von der Flugsicherung abgelehnt.

ABO-Wind ist 2018 mit der Berufung gegen die Ablehnung der vier WEA in Nieder-Erlenbach vor dem hess. Verwaltungsgerichtshof gescheitert.

Die Gutachten, die von den Bundesländern in Auftrag gegeben wurden, haben für das Funkfeuer, das den Winterstein tangiert (VOR Metro in Nidderau-Erbstadt), keine neuen Erkenntnisse gebracht. Dadurch kann das Thema „Flugsicherung“ nur auf Bundesebene gelöst werden. 

Der Teilplan Erneuerbare Energien Südhessen (TPEE) ist am 30. März 2020 in Kraft getreten.

 

TPPE, Regierungspräsidium Hessen, Stand: 2020

Die blau gekennzeichnete Fläche des Vorranggebietes befindet sich innerhalb des 15-km-Radius des Funkfeuers.

Im Zeitraum vom 27.07.2020 bis 04.09.2020 wurde mit einem Vorentwurf des Bebauungsplanes eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durchgeführt. Der Vorentwurf beinhaltete drei Standorte für WEA außerhalb des 15-km-Radius des Funkfeuers. Ziel dieser ersten Beteiligungsrunde war es, für die weiteren Planungen einen ersten Überblick über die Belange der verschiedenen Fachbehörden und Verbände zu erhalten. Auszugsweise folgen einige Stellungnahmen aus der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, die an dieser Stelle hervorzuheben sind:

Landesamt für Denkmalpflege/hessenARCHÄOLOGIE

Die Planung wird im derzeitigen Stadium abgelehnt, da sich zwei der drei WEA in der Pufferzone des Limes befinden. Diese Standorte würden u.U. den universellen Wert des Welterbes beeinträchtigen. Es wird dringend dazu geraten, Standorte außerhalb dieser Zone zu wählen, ansonsten wäre die Einschaltung der UNESCO durch das Landesamt für Denkmalpflege/hessenARCHÄOLOGIE unumgänglich.

Anmerkung: Im TPEE wurde ein 200 m-Streifen zum Limes freigehalten, dies wurde als ausreichend erachtet, um den Belangen der Denkmalpflege Rechnung zu tragen. Die Pufferzone beträgt 1000 m. Hier gibt es offensichtlich Interessenskonflikte.

 

RP Darmstadt

Der Vorentwurf des Bebauungsplanes widerspricht den Zielen der Raumordnung des TPEE.

Im Vorranggebiet Windenergie habe diese Nutzung Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungen.

Da nur 2 % der Landesfläche für die Windenergienutzung zur Verfügung stehe, sei die bestmögliche Ausnutzung der Vorranggebiete unumgänglich. 

Der Bebauungsplan sei zwingend an die Ziele der Raumordnung anzupassen, ansonsten sei er unwirksam.

Regionalverband FrankfurtRheinMain

Der Regionalverband, der zusammen mit dem RP für die Erstellung des TPEE zuständig war, weist darauf hin, dass im Vorranggebiet die Windenergienutzung Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungen hat. Die Beschränkung auf lediglich drei Standorte für WEA sei deshalb abwägungsfehlerhaft.  

Energiebildungsverein (EBV) e.V. Rockenberg

Der EBV beschäftige sich seit über einem Jahrzehnt im Wetteraukreis mit aufklärenden Maßnahmen im Umwelt- und Energiebereich. Dort gehe es primär um die relevanten Notwendigkeiten zu den Themen Klimawandel und erneuerbare Energien. Der EBV vertrete dabei ausschließlich wissenschaftlich belegte Fakten und vermittle diese in seiner Bildungsarbeit. Deshalb gebe er eine Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange ab.

Der Verein lehnt den B-Plan ab. Vorranggebiete für Windenergie müssten zu 100% genutzt werden, um das Ziel der Energiewende zu erreichen. Auf der Vorrangfläche Winterstein könnten 23 WEA errichtet werden.

Bürgerinitiative Winterstein

Die Bürgerinitiative (BI) ist gegen die Errichtung von WEA auf dem Winterstein. Es werden im Wesentlichen die negativen Folgen für die Gesundheit der Menschen, die Natur und die Landschaft hervorgehoben. Es wird darauf hingewiesen, dass Deutschland mit nur 2 % an der weltweiten CO2-Produktion beteiligt ist und somit der Bau von WEA hierzulande keinen nennenswerten Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten kann.

Die BI werde von Bürgern und Bürgerinnen aus Wehrheim, Friedberg, Ober-Mörlen, Rosbach v.d. Höhe und anderen Kommunen unterstützt.

 

Am 26.04.2021 fand eine Besprechung der beteiligten Kommunen mit Hessen- und Bundesforst statt. Es wurde sich darauf verständigt, unter Beteiligung ausgewählter Windparkentwickler und -betreiber ein gemeinsames Windparkkonzept zu erstellen und hierüber zunächst eine Absichtserklärung abzuschließen. Grundsätzlich soll die eigentumsübergreifende Planung ein aus energetischer Sicht optimiertes, eingriffsminimiertes Parklayout ermöglichen. Es sollen möglichst geschädigte oder vorgeschwächte Waldflächen Eingang in die Planung finden. Vorhandene Wege und Erschließungslinien sollen vorrangig genutzt und neue Trassen möglichst vermieden werden. Die Schutz- und Nutzfunktionen des Waldes sollen nicht unnötig beeinträchtigt werden. Es sollen verschiedene Beteiligungsmodelle für Bürger und die beteiligten Kommunen entwickelt werden. 

Im September 2020 wurde ein „Bündnis Windpark Winterstein“ gegründet, dem nach eigenen Angaben 29 Organisationen (Umweltverbände, Parteien, Energievereine u. - Genossenschaften, Vereine u. Bürgergruppen) angehören. Das Bündnis fordert die möglichst zeitnahe Realisierung des Windparks Winterstein unter optimalen energetischen Gesichtspunkten. Das Bündnis hat sich Mitte 2021 mit der Bitte um Unterstützung an die Hess. Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Frau Priska Hinz, gewandt. Es wird ein „Runder Tisch“ unter Moderation der Hessischen Landesenergieagentur vorgeschlagen, bei dem mit dem Bündnis der aktuelle Stand diskutiert und die anzustrebenden weiteren Inhalte festgelegt werden sollen.

 

Auf ein Schreiben des o.g. Ministeriums haben die BürgermeisterInnen der involvierten Kommunen informiert, dass sie sich mit dem Bundes- und Hessenforst auf die Entwicklung eines gemeinsamen Windparkkonzeptes für den Winterstein verständigt haben. Sobald sich die Planungen verfestigt haben, werden die Bevölkerung der beteiligten Orte und das Bündnis Windpark Winterstein informiert.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat im Juni 2021 angekündigt, der deutschen Flugsicherung (DFS) Mittel für die Umrüstung der Funkfeuer zur Verfügung zu stellen, um damit mehr Fläche für den Ausbau der Windenergienutzung zu schaffen.

Nach einer Pressemitteilung der DFS vom 11.06.2021 soll das Drehfunkfeuer VOR Metro in Nidderau-Erbstadt 2024 auf die sogenannte Doppler-Technik umgerüstet werden. Danach können mehr WEA in den Schutzbereichen zugelassen werden.

 

 

Weiteres Verfahren

Nach Abschluss der Absichtserklärung soll ein Windparklayout entwickelt werden. Nach Vorlage eines belastbaren Parklayouts und erster Gutachten erfolgt eine Gremienbeteiligung in den beteiligten Kommunen. Danach soll eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden. 

Das Bauleitplanverfahren „Natur und Erholungsgebiet Winterstein“ soll vorerst ausgesetzt werden. Ob das Bauleitplanverfahren fortgeführt werden soll, kann nach Vorlage des Parklayouts entschieden werden.

 


 

Finanzielle Auswirkungen:

JA

NEIN

Haushaltsjahr

 

Ergebnishaushalt

Finanzhaushalt

Produkt

 

Kostenstelle

 

Investitionsnummer

 

Sachkonto

 

Einnahme oder

Ertrag

Ausgabe oder Aufwendung

Die Mittel stehen im Haushalt zur Verfügung

JA

NEIN

Überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen (§100 HGO)

Deckungsvorschlag

Friedberg (Hessen), den

Haushaltsjahr

 

 

Kostenstelle

 

Sachkonto

 

Produkt

 

Investitionsnummer

 

( Unterschrift FB Finanzen)