Betreff
Antrag auf Abweichung von den Zielen des Regionalplans Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel
Bezug: Magistratsbeschluss DS 16-21/1473
Vorlage
16-21/1514
Aktenzeichen
60/1 - Ks
Art
Beschlussvorlage

Beschlussentwurf:

Zum Antrag auf Abweichung von den Zielen des Regionalplans Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel werden seitens der Stadt Friedberg folgende Bedenken vorgetragen:

 

  1. Inhaltlicher Art

Im Hinblick auf die Stärkung und zum  Schutz der Friedberger Innenstadt (zentraler Versorgungsbereich) fordert die Stadt Friedberg die strikte Einhaltung der Ziele des Regionalplans Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel.

Der beantragten Zielabweichung wird nicht zugestimmt.

Es wird eine Reduzierung der Verkaufsfläche des Möbelmarktes auf eine für den Mittelzentrenbereich von Bad Vilbel abgestimmte Größe gefordert. (Begründung s. Sach- und Rechtslage)

 

  1. Bedenken gegen die fehlerhafte Auswirkungsanalyse

Ohne  Erstellung einer Plausibilitätsprüfung durch die Stadt Friedberg (wegen der kurzen Fristvorgabe nicht möglich) sind bereits bei nicht vertiefter Durchsicht der Auswirkungsanalyse Fehler aufgefallen (s. Sach- und Rechtslage), sodass die Plausibilität der vorgelegten Auswirkungsanalyse angezweifelt wird. Die Stadt Friedberg behält sich vor, eine Plausibilitätsprüfung erstellen zu lassen und nach Fristablauf vorzulegen.

 

  1. Rechtliche Bedenken

Der Antrag der Stadt Bad Vilbel auf Abweichung von Zielen der Raumordnung des Regionalplans Südhessen ist abzulehnen.

In formeller Hinsicht fehlt es der Stadt Bad Vilbel bereits an einer Aktivlegitimation im Sinne der Antragsbefugnis sowie an einem Sachbescheidungsinteresse. Vor der Aufstellung des von der Stadt Bad Vilbel beabsichtigten Bebauungsplans wäre eine Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans 2010 erforderlich. Hierfür müsste eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung beantragt werden. Weder für die Planänderung noch für den Antrag auf Zielabweichung liegt die Zuständigkeit bei der Stadt Bad Vilbel.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht liegen die Voraussetzungen für eine Zielabweichungsentscheidung hier nicht vor. Die Abweichung von den entgegenstehenden Zielen der Raumordnung berührt die Grundzüge der Planung des Regionalplans Südhessen 2010. Zudem ist die Zielabweichung auch raumordnerisch nicht vertretbar.

Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen einer Zielabweichungsentscheidung nicht gegeben sind, ist hier kein Raum für die Ausübung eines Ermessens auf der Rechtsfolgenseite des § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG. (Begründung s. Anlage 5: Stellungnahme RA Prof. Dr. Bischoping )

 


Sach- und Rechtslage:

Mit E-Mail vom Freitag, den 08.Mai.2020 hat das Regierungspräsidium Darmstadt als Vollzug des Raumordnungsgesetzes (ROG) sowie des Hessischen Landesplanungsgesetzes (HLPG) den Abweichungsantrag der Stadt Bad Vilbel zur Darstellung/Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes (Möbelmarkt) als Beteiligung der betroffenen Gebietskörperschaften und der Fachbehörden nach § 8 Abs. 2 Satz 2 HLPG vorgelegt und zur Stellungnahme aufgefordert.

Ausschlussfrist zur Abgabe der Stellungnahme ist danach Freitag, der 12.Juni 2020.

 

Diese Frist von 5 Wochen ist angesichts der Corona-Krise und der damit noch immer einhergehenden eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Verwaltung überhaupt nicht einzuhalten. Es bedarf angesichts der rechtlichen Komplexität eines erheblichen Zeitaufwands für die notwendige sorgfältige Prüfung der vorgelegten umfangreichen Unterlagen.

 

Deshalb wurde seitens der Stadt Friedberg eine Verlängerung der Frist  zur Stellungnahme bis zum 01.09.2020 beantragt, um die Vorlage dem Ausschuss für  Stadtentwicklung in seiner nächsten Sitzung in der 35. Woche vorlegen zu können. 

Diesem Antrag wurde seitens des RP mit folgender Begründung nicht gefolgt:

  • Die Stadt Friedberg hat durch die frühzeitige Beteiligung beim Bebauungsplanverfahren bereits Kenntnis der Planung (Kommentar Amt für Stadtentwicklung (AfS): die aktuell vorliegenden Beteiligungsunterlagen umfassen mehrere hundert Seiten, die für eine fundierte Stellungnahme sorgfältig geprüft werden sollten und nicht in Anlehnung an die von der Stadt Bad Vilbel im März 2020 vorgelegten Unterlagen betrachtet werden sollten)
  • Eine Gremienbeteiligung ist nicht zwingend erforderlich (Kommentar AfS: in Friedberg reicht eine Beschlussfassung durch den Magistrat nicht, da es einen Delegationsbeschluss gibt, in dem die Entscheidung an den Ausschuss für Stadtentwicklung übertragen wird)
  • Die Erstellung einer eigenen Auswirkungsanalyse durch ein von der Stadt Friedberg beauftragtes Unternehmen, die gegebenenfalls eigene Erhebungen umfasst, wäre auch innerhalb der verlängerten Frist nicht möglich (Kommentar AfS: das heißt im Umkehrschluss, dass eine fundierte Stellungnahme gar nicht abgegeben werden kann)
  • Im Übrigen ist die gesetzliche Beteiligungsfrist seitens des RP bereits um 1 Woche verlängert worden (Kommentar AfS: Eine Verlängerung um 1 Woche ist nicht praxisbezogen, da diese vorgegebene Frist von 5 Wochen die  Pfingstfeiertage und 2 Donnerstägliche Feiertage mit den allgemein üblichen Brückentagen enthält. Außerdem ist durch die Corona-Krise noch immer mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen umzugehen).

 

Gemäß Auskunft mit der von der Planung stärker betroffenen Nachbarstadt Bad Homburg gibt es dort das gleiche Fristenproblem, sodass die  Stadt Bad Homburg ihre Stellungnahme fristgemäß nach der Beschlussfassung durch den Magistrat, aber vorbehaltlich einer späteren Zustimmung durch die Gremien abgeben wird.

 

Seitens der Stadt Friedberg wurde der gleiche  Fachanwalt wie auch von Seiten der Stadt Bad Homburg mit der Erarbeitung einer fachrechtlichen Stellungnahme  zum augenscheinlich fehlerhaften Anhörungs-/Abweichungsverfahren beauftragt (s. Anlage 5).

 

Die Stellungnahme der Stadt Friedberg zum vorliegenden Abweichungsantrag wird aus 3 Teilen besteht: es werden die inhaltlichen Bedenken der Stadt Friedberg aus den Jahren 2010/11 teilweise erneut vorgetragen, da sie  weiterhin Bestand haben, es wird die mit dem aktuellen Antrag vorgelegte Auswirkungsanalyse angezweifelt und aus der aktuellen rechtlichen Beurteilung des Verfahrens durch einen Fachanwalt.

 

 

Inhaltliche Bedenken

Im Hinblick auf die Stärkung und zum  Schutz der Friedberger Innenstadt (zentraler Versorgungsbereich) fordert die Stadt Friedberg die strikte Einhaltung der Ziele des Regionalplans Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel. Der beantragten Zielabweichung wird nicht zugestimmt.

Es wird eine Reduzierung der Verkaufsfläche des Möbelmarktes auf eine für den Mittelzentrenbereich von Bad Vilbel abgestimmte Größe gefordert.

Begründung:

Trotzdem die zentrenrelevanten Sortimente, wie 2010/11 gefordert wurde, im vorliegenden Entwurf auf 800 m² begrenzt werden sollen, ist landesweit in den letzten Jahrzehnten die Aushöhlung der wirtschaftlichen Basis zentraler Versorgungsbereiche in den Mittelzentren – nicht zuletzt auch in Friedberg, in Verbindung mit Bad Nauheim mit Teilfunktion eines Oberzentrums – durch die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel in nicht integrierten Lagen zu beobachten. Dies führte letztlich auch zu den sehr differenzierten Zielen der Landesplanung zum Einzelhandel. Die Stadt Friedberg bemüht sich deshalb seit langem, diese Ziele der Landesplanung in ihrer Bauleitplanung umzusetzen und damit sein historisch gewachsenes, integriertes Geschäftszentrum „Kaiserstraße“ vor weitergehender Verödung zu bewahren:

-       In allen Friedberger Gewerbegebieten legen Bebauungspläne Beschränkungen für zentrenrelevante Randsortimente bei Ansiedlungen des großflächigen Einzelhandels fest;

-       Im derzeitigen Leerstand des Kaufhauses Joh soll wieder Einzelhandel angesiedelt werden;

-       Im derzeit in Erarbeitung befindlichen „Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept“ (ISEK Friedberg, Fertigstellung ist in 2020 anvisiert) ist als ein wesentliches Handlungsfeld der Themenbereich Einzelhandel enthalten

 

Derartige Bemühungen sind aber aussichtslos, wenn rundherum unter Missachtung der seit nunmehr Jahrzehnten geltenden landes- und regionalplanerischen Regelungen - die im  RegFNP 2010 noch detailliert ausformuliert wurden –  sowie unter Negierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Einzelhandel weitere Einrichtungen entstehen, die solchen zentrensichernden Projekten quasi „scheibchenweise“ die wirtschaftliche Basis entziehen und das Kaufverhalten der Kunden immer weiter auf autogerechte Standorte umlenken.

In aller Deutlichkeit haben die Corona-Einschränkungen in den vergangenen Wochen die Verletzlichkeit von Innenstädten und zentralen Versorgungsbereichen gezeigt. Es ist noch deutlicher geworden, dass der stationäre Handel in den Innenstädten besonders geschützt (und unterstützt) werden muss. Einerseits muss der stationäre Handel seitens der Anbieter durch Online-Angebote und neue Verkaufskonzepte ergänzt werden, wenn er die Attraktivität gegenüber einem Online-Handel behalten will. Auf der anderen Seite muss durch das Bau- und Raumordnungsrecht dem innenstädtischen Einzelhandel weiterhin Schutz gewährleistet bleiben.

Kleinflächige Betriebe müssen ohnehin mit den steigenden Umsätzen im Segment Online-Handel und mit deren Konsequenzen umgehen können. Im Gegensatz zu der Firma Segmüller sind diese kleinflächigen, oft inhabergeführten Geschäfte in beengten Räumlichkeiten in zentralen Versorgungslagen, wie z.B. in der Friedberger Kaiserstraße, angesiedelt und haben oft keine Erweiterungsmöglichkeiten um ihre Umsätze zu steigen.

 

Bereits durch seine Verkaufsflächengröße wirkt das Möbelhaus nachhaltig in das Umland hinein. Hinzu kommt, dass das Vorhaben wie ein Einkaufszentrum anzusehen ist; dies wird nicht nur durch den zu erwartenden weit reichenden Einzugsbereich belegt, sondern auch durch die Bündelung verschiedener großer Fachabteilungen. Diese Fachabteilungen sowie die „Mitnahmeeffekte“ sind es jedoch, die in der Praxis bei solchen „Einrichtungshäusern“ ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht für das Projekt und damit die aufgeführten negativen Auswirkungen auf das Umland haben.

 

Die Begründung des Antrags sowie das zugehörige Gutachten betrachten die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die daraus abgeleiteten Verbote lediglich in formaler Hinsicht als verletzt. Diese Ausführungen sind jedoch in keiner Weise geeignet, die massive Verletzung dieser Verbote auch in materieller Hinsicht zu rechtfertigen und zu begründen. Das Projekt muss den geltenden Zulässigkeitsbedingungen entsprechen – und nicht umgekehrt: Es kann nicht sein, dass diese Bedingungen auf das Projekt hin ausgelegt werden.

 

 

Fehlerhafte Auswirkungsanalyse

Ohne  Erstellung einer Plausibilitätsprüfung (wegen der kurzen Fristvorgabe nicht möglich) sind bereits bei nicht vertiefter Durchsicht der Auswirkungsanalyse (s. Anlage 4) folgende fehlerhafte Inhalt aufgefallen:

-       Friedberg  ist nicht in den Untersuchungsraum einbezogen (S. 19 des Gutachtens), trotzdem Friedberg mit nur 16 km Entfernung über die B 3 bestens verkehrlich angebunden ist. Bei der Einordnung „Einzugsbereich Segmüller“ ist Friedberg dagegen in die Zone II aufgenommen (S. 37 des Gutachtens)

-       im Gutachten ist im Wesentlichen der südliche Raum in das Untersuchungsgebiet einbezogen; hier sogar bis z.B. Darmstadt, Aschaffenburg, Mainz, der nördliche Bereich wurde stark vernachlässigt

-       im Gutachten werden schwerpunktmäßig Standorte mit bestehenden Möbelmärkten betrachtet. Das wird als fehlerhaft angesehen, weil somit sonstige Auswirkungen auf andere Standorte  außer Acht gelassen werden.

-       Bei der Zentrenrelevanz wird schwerpunktmäßig nur das Zentrum von Bad Vilbel betrachtet

-       Die Tabelle 8, „Verkaufsflächen und Umsätze nach Sortimenten und Lagen in Zone II“, Seite 49 des Gutachtens wird bezüglich der Aussagen zu Friedberg hinsichtlich der Aktualität und auch hinsichtlich der Zahlen angezweifelt

 

 

Rechtliche Bedenken

Der Antrag der Stadt Bad Vilbel auf Abweichung von Zielen der Raumordnung des Regionalplans Südhessen ist abzulehnen.

In formeller Hinsicht fehlt es der Stadt Bad Vilbel bereits an einer Aktivlegitimation im Sinne der Antragsbefugnis sowie an einem Sachbescheidungsinteresses. Vor der Aufstellung des von der Stadt Bad Vilbel beabsichtigten Bebauungsplans wäre eine Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans 2010 erforderlich. Hierfür müsste eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung beantragt werden. Weder für die Planänderung noch für den Antrag auf Zielabweichung liegt die Zuständigkeit bei der Stadt Bad Vilbel.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht liegen die Voraussetzungen für eine Zielabweichungsentscheidung hier nicht vor. Die Abweichung von den entgegenstehenden Zielen der Raumordnung berührt die Grundzüge der Planung des Regionalplans Südhessen 2010. Zudem ist die Zielabweichung auch raumordnerisch nicht vertretbar.

Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen einer Zielabweichungsentscheidung nicht gegeben sind, ist hier kein Raum für die Ausübung eines Ermessens auf der Rechtsfolgenseite des § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG.

Begründung:

s. anliegende Stellungnahme (Anlage 5) der im Auftrag der Stadt Friedberg erarbeiten Stellungnahme der Baumeister Rechtsanwälte

 


 

Finanzielle Auswirkungen:

JA

x

NEIN

Haushaltsjahr

 

Ergebnishaushalt

Finanzhaushalt

Produkt

 

Kostenstelle

 

Investitionsnummer

 

Sachkonto

 

Einnahme oder

Ertrag

Ausgabe oder Aufwendung

Die Mittel stehen im Haushalt zur Verfügung

JA

NEIN

Überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen (§100 HGO)

Deckungsvorschlag

Friedberg (Hessen), den

Haushaltsjahr

 

 

Kostenstelle

 

Sachkonto

 

Produkt

 

Investitionsnummer

 

( Unterschrift FB Finanzen)