Bezug: Magistratsbeschluss DS 16-21/1473
Beschlussentwurf:
Zum Antrag auf Abweichung von den Zielen des Regionalplans Südhessen
i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz
(HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines sonstigen
Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel werden seitens
der Stadt Friedberg folgende Bedenken vorgetragen:
- Inhaltlicher Art
Im Hinblick auf die Stärkung und zum
Schutz der Friedberger Innenstadt (zentraler Versorgungsbereich) fordert
die Stadt Friedberg die strikte Einhaltung der Ziele des Regionalplans
Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches
Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die
Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt
Bad Vilbel.
Der beantragten Zielabweichung wird nicht zugestimmt.
Es wird eine Reduzierung der Verkaufsfläche
des Möbelmarktes auf eine für den Mittelzentrenbereich von Bad Vilbel
abgestimmte Größe gefordert. (Begründung s. Sach- und Rechtslage)
- Bedenken gegen die fehlerhafte
Auswirkungsanalyse
Ohne Erstellung einer
Plausibilitätsprüfung durch die Stadt Friedberg (wegen der kurzen Fristvorgabe
nicht möglich) sind bereits bei nicht vertiefter Durchsicht der
Auswirkungsanalyse Fehler aufgefallen (s. Sach- und Rechtslage), sodass die
Plausibilität der vorgelegten Auswirkungsanalyse angezweifelt wird. Die Stadt
Friedberg behält sich vor, eine Plausibilitätsprüfung erstellen zu lassen und
nach Fristablauf vorzulegen.
- Rechtliche Bedenken
Der Antrag der Stadt Bad Vilbel auf
Abweichung von Zielen der Raumordnung des Regionalplans Südhessen ist
abzulehnen.
In formeller Hinsicht fehlt es der Stadt Bad
Vilbel bereits an einer Aktivlegitimation im Sinne der Antragsbefugnis sowie an
einem Sachbescheidungsinteresse. Vor der Aufstellung des von der Stadt Bad
Vilbel beabsichtigten Bebauungsplans wäre eine Änderung des Regionalen
Flächennutzungsplans 2010 erforderlich. Hierfür müsste eine Abweichung von den
Zielen der Raumordnung beantragt werden. Weder für die Planänderung noch für
den Antrag auf Zielabweichung liegt die Zuständigkeit bei der Stadt Bad Vilbel.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht
liegen die Voraussetzungen für eine Zielabweichungsentscheidung hier nicht vor.
Die Abweichung von den entgegenstehenden Zielen der Raumordnung berührt die
Grundzüge der Planung des Regionalplans Südhessen 2010. Zudem ist die
Zielabweichung auch raumordnerisch nicht vertretbar.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen einer
Zielabweichungsentscheidung nicht gegeben sind, ist hier kein Raum für die
Ausübung eines Ermessens auf der Rechtsfolgenseite des § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG.
(Begründung s. Anlage 5:
Stellungnahme RA Prof. Dr. Bischoping )
Sach- und Rechtslage:
Mit E-Mail vom Freitag, den 08.Mai.2020 hat
das Regierungspräsidium Darmstadt als Vollzug des Raumordnungsgesetzes (ROG)
sowie des Hessischen Landesplanungsgesetzes (HLPG) den Abweichungsantrag der
Stadt Bad Vilbel zur Darstellung/Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes
(Möbelmarkt) als Beteiligung der betroffenen Gebietskörperschaften und der
Fachbehörden nach § 8 Abs. 2 Satz 2 HLPG vorgelegt und zur Stellungnahme
aufgefordert.
Ausschlussfrist zur Abgabe der Stellungnahme
ist danach Freitag, der 12.Juni 2020.
Diese Frist von 5 Wochen ist angesichts der
Corona-Krise und der damit noch immer einhergehenden eingeschränkten
Arbeitsfähigkeit der Verwaltung überhaupt nicht einzuhalten. Es bedarf
angesichts der rechtlichen Komplexität eines erheblichen Zeitaufwands für die
notwendige sorgfältige Prüfung der vorgelegten umfangreichen Unterlagen.
Deshalb wurde seitens der Stadt Friedberg
eine Verlängerung der Frist zur
Stellungnahme bis zum 01.09.2020 beantragt, um die Vorlage dem Ausschuss
für Stadtentwicklung in seiner nächsten
Sitzung in der 35. Woche vorlegen zu können.
Diesem Antrag wurde seitens des RP mit
folgender Begründung nicht gefolgt:
- Die Stadt
Friedberg hat durch die frühzeitige Beteiligung beim
Bebauungsplanverfahren bereits Kenntnis der Planung (Kommentar Amt für Stadtentwicklung (AfS): die aktuell
vorliegenden Beteiligungsunterlagen umfassen mehrere hundert Seiten, die
für eine fundierte Stellungnahme sorgfältig geprüft werden sollten und
nicht in Anlehnung an die von der Stadt Bad Vilbel im März 2020
vorgelegten Unterlagen betrachtet werden sollten)
- Eine
Gremienbeteiligung ist nicht zwingend erforderlich (Kommentar AfS: in Friedberg reicht eine Beschlussfassung durch
den Magistrat nicht, da es einen Delegationsbeschluss gibt, in dem die
Entscheidung an den Ausschuss für Stadtentwicklung übertragen wird)
- Die
Erstellung einer eigenen Auswirkungsanalyse durch ein von der Stadt
Friedberg beauftragtes Unternehmen, die gegebenenfalls eigene Erhebungen
umfasst, wäre auch innerhalb der verlängerten Frist nicht möglich (Kommentar AfS: das heißt im
Umkehrschluss, dass eine fundierte Stellungnahme gar nicht abgegeben
werden kann)
- Im Übrigen
ist die gesetzliche Beteiligungsfrist seitens des RP bereits um 1 Woche
verlängert worden (Kommentar AfS:
Eine Verlängerung um 1 Woche ist nicht praxisbezogen, da diese vorgegebene
Frist von 5 Wochen die
Pfingstfeiertage und 2 Donnerstägliche Feiertage mit den allgemein
üblichen Brückentagen enthält. Außerdem ist durch die Corona-Krise noch
immer mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen umzugehen).
Gemäß Auskunft mit der von der Planung
stärker betroffenen Nachbarstadt Bad Homburg gibt es dort das gleiche
Fristenproblem, sodass die Stadt Bad
Homburg ihre Stellungnahme fristgemäß nach der Beschlussfassung durch den
Magistrat, aber vorbehaltlich einer späteren Zustimmung durch die Gremien
abgeben wird.
Seitens der Stadt Friedberg wurde der
gleiche Fachanwalt wie auch von Seiten
der Stadt Bad Homburg mit der Erarbeitung einer fachrechtlichen Stellungnahme zum augenscheinlich fehlerhaften
Anhörungs-/Abweichungsverfahren beauftragt (s. Anlage 5).
Die Stellungnahme der Stadt Friedberg zum
vorliegenden Abweichungsantrag wird aus 3 Teilen besteht: es werden die
inhaltlichen Bedenken der Stadt Friedberg aus den Jahren 2010/11 teilweise
erneut vorgetragen, da sie weiterhin
Bestand haben, es wird die mit dem aktuellen
Antrag vorgelegte Auswirkungsanalyse angezweifelt und aus der aktuellen
rechtlichen Beurteilung des Verfahrens durch einen Fachanwalt.
Inhaltliche
Bedenken
Im Hinblick auf die Stärkung und zum
Schutz der Friedberger Innenstadt (zentraler Versorgungsbereich) fordert
die Stadt Friedberg die strikte Einhaltung der Ziele des Regionalplans
Südhessen i.S.d. §6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches
Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die
Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt
Bad Vilbel. Der beantragten Zielabweichung wird nicht zugestimmt.
Es wird eine Reduzierung der Verkaufsfläche
des Möbelmarktes auf eine für den Mittelzentrenbereich von Bad Vilbel
abgestimmte Größe gefordert.
Begründung:
Trotzdem die zentrenrelevanten Sortimente, wie 2010/11 gefordert wurde,
im vorliegenden Entwurf auf 800 m² begrenzt werden sollen, ist landesweit in
den letzten Jahrzehnten die Aushöhlung der wirtschaftlichen Basis zentraler
Versorgungsbereiche in den Mittelzentren – nicht zuletzt auch in Friedberg, in
Verbindung mit Bad Nauheim mit Teilfunktion eines Oberzentrums – durch die
Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel in nicht integrierten Lagen zu
beobachten. Dies führte letztlich auch zu den sehr differenzierten Zielen der
Landesplanung zum Einzelhandel. Die Stadt Friedberg bemüht sich deshalb seit
langem, diese Ziele der Landesplanung in ihrer Bauleitplanung umzusetzen und
damit sein historisch gewachsenes, integriertes Geschäftszentrum „Kaiserstraße“
vor weitergehender Verödung zu bewahren:
-
In allen Friedberger Gewerbegebieten legen
Bebauungspläne Beschränkungen für zentrenrelevante Randsortimente bei
Ansiedlungen des großflächigen Einzelhandels fest;
-
Im derzeitigen Leerstand des Kaufhauses Joh soll
wieder Einzelhandel angesiedelt werden;
-
Im derzeit in Erarbeitung befindlichen
„Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept“ (ISEK Friedberg,
Fertigstellung ist in 2020 anvisiert) ist als ein wesentliches Handlungsfeld
der Themenbereich Einzelhandel enthalten
Derartige Bemühungen sind aber aussichtslos,
wenn rundherum unter Missachtung der seit nunmehr Jahrzehnten geltenden landes-
und regionalplanerischen Regelungen - die im
RegFNP 2010 noch detailliert ausformuliert wurden – sowie unter Negierung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zum Einzelhandel weitere Einrichtungen entstehen, die solchen
zentrensichernden Projekten quasi „scheibchenweise“ die wirtschaftliche Basis
entziehen und das Kaufverhalten der Kunden immer weiter auf autogerechte
Standorte umlenken.
In aller Deutlichkeit haben die
Corona-Einschränkungen in den vergangenen Wochen die Verletzlichkeit von
Innenstädten und zentralen Versorgungsbereichen gezeigt. Es ist noch deutlicher
geworden, dass der stationäre Handel in den Innenstädten besonders geschützt
(und unterstützt) werden muss. Einerseits muss der stationäre Handel seitens
der Anbieter durch Online-Angebote und neue Verkaufskonzepte ergänzt werden,
wenn er die Attraktivität gegenüber einem Online-Handel behalten will. Auf der
anderen Seite muss durch das Bau- und Raumordnungsrecht dem innenstädtischen
Einzelhandel weiterhin Schutz gewährleistet bleiben.
Kleinflächige Betriebe müssen ohnehin mit den
steigenden Umsätzen im Segment Online-Handel und mit deren Konsequenzen umgehen
können. Im Gegensatz zu der Firma Segmüller sind diese kleinflächigen, oft
inhabergeführten Geschäfte in beengten Räumlichkeiten in zentralen
Versorgungslagen, wie z.B. in der Friedberger Kaiserstraße, angesiedelt und
haben oft keine Erweiterungsmöglichkeiten um ihre Umsätze zu steigen.
Bereits durch seine Verkaufsflächengröße wirkt das Möbelhaus nachhaltig
in das Umland hinein. Hinzu kommt, dass das Vorhaben wie ein Einkaufszentrum
anzusehen ist; dies wird nicht nur durch den zu erwartenden weit reichenden
Einzugsbereich belegt, sondern auch durch die Bündelung verschiedener großer
Fachabteilungen. Diese Fachabteilungen sowie die „Mitnahmeeffekte“ sind es
jedoch, die in der Praxis bei solchen „Einrichtungshäusern“ ein erhebliches
wirtschaftliches Gewicht für das Projekt und damit die aufgeführten negativen
Auswirkungen auf das Umland haben.
Die Begründung des Antrags sowie das
zugehörige Gutachten betrachten die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und
die daraus abgeleiteten Verbote lediglich in formaler Hinsicht als verletzt.
Diese Ausführungen sind jedoch in keiner Weise geeignet, die massive Verletzung
dieser Verbote auch in materieller Hinsicht zu rechtfertigen und zu begründen.
Das Projekt muss den geltenden Zulässigkeitsbedingungen entsprechen – und nicht
umgekehrt: Es kann nicht sein, dass diese Bedingungen auf das Projekt hin
ausgelegt werden.
Fehlerhafte
Auswirkungsanalyse
Ohne
Erstellung einer Plausibilitätsprüfung (wegen der kurzen Fristvorgabe
nicht möglich) sind bereits bei nicht vertiefter Durchsicht der
Auswirkungsanalyse (s. Anlage 4) folgende fehlerhafte Inhalt aufgefallen:
-
Friedberg ist
nicht in den Untersuchungsraum einbezogen (S. 19 des Gutachtens), trotzdem
Friedberg mit nur 16 km Entfernung über die B 3 bestens verkehrlich angebunden
ist. Bei der Einordnung „Einzugsbereich Segmüller“ ist Friedberg dagegen in die
Zone II aufgenommen (S. 37 des Gutachtens)
-
im Gutachten ist im Wesentlichen der südliche Raum
in das Untersuchungsgebiet einbezogen; hier sogar bis z.B. Darmstadt,
Aschaffenburg, Mainz, der nördliche Bereich wurde stark vernachlässigt
-
im Gutachten werden schwerpunktmäßig Standorte mit
bestehenden Möbelmärkten betrachtet. Das wird als fehlerhaft angesehen, weil
somit sonstige Auswirkungen auf andere Standorte außer Acht gelassen werden.
-
Bei der Zentrenrelevanz wird schwerpunktmäßig nur
das Zentrum von Bad Vilbel betrachtet
-
Die Tabelle 8, „Verkaufsflächen und Umsätze nach
Sortimenten und Lagen in Zone II“, Seite 49 des Gutachtens wird bezüglich der
Aussagen zu Friedberg hinsichtlich der Aktualität und auch hinsichtlich der
Zahlen angezweifelt
Rechtliche
Bedenken
Der Antrag der Stadt Bad Vilbel auf
Abweichung von Zielen der Raumordnung des Regionalplans Südhessen ist
abzulehnen.
In formeller Hinsicht fehlt es der Stadt Bad
Vilbel bereits an einer Aktivlegitimation im Sinne der Antragsbefugnis sowie an
einem Sachbescheidungsinteresses. Vor der Aufstellung des von der Stadt Bad
Vilbel beabsichtigten Bebauungsplans wäre eine Änderung des Regionalen
Flächennutzungsplans 2010 erforderlich. Hierfür müsste eine Abweichung von den
Zielen der Raumordnung beantragt werden. Weder für die Planänderung noch für
den Antrag auf Zielabweichung liegt die Zuständigkeit bei der Stadt Bad Vilbel.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht
liegen die Voraussetzungen für eine Zielabweichungsentscheidung hier nicht vor.
Die Abweichung von den entgegenstehenden Zielen der Raumordnung berührt die
Grundzüge der Planung des Regionalplans Südhessen 2010. Zudem ist die
Zielabweichung auch raumordnerisch nicht vertretbar.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen
einer Zielabweichungsentscheidung nicht gegeben sind, ist hier kein Raum für
die Ausübung eines Ermessens auf der Rechtsfolgenseite des § 6 Abs. 2 Satz 1
ROG.
Begründung:
s. anliegende Stellungnahme (Anlage 5) der im Auftrag der Stadt
Friedberg erarbeiten Stellungnahme der Baumeister Rechtsanwälte
☐ |
JA |
x |
NEIN |
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Haushaltsjahr |
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Ergebnishaushalt |
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Finanzhaushalt |
Produkt |
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Kostenstelle |
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Investitionsnummer |
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Sachkonto |
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Einnahme oder Ertrag |
€ |
Ausgabe oder Aufwendung |
€ |
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Die Mittel stehen im Haushalt zur Verfügung |
☐ |
JA |
☐ |
NEIN |
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Überplanmäßige und
außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen (§100 HGO) Deckungsvorschlag |
Friedberg (Hessen), den |
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Haushaltsjahr |
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Kostenstelle |
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Sachkonto |
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Produkt |
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Investitionsnummer |
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( Unterschrift FB
Finanzen) |