Betreff
Hessenkasse - Beitritt zum flankierenden Investitionsprogramm
Vorlage
16-21/0672
Art
Beschlussvorlage

Beschlussentwurf:

 

Grundsatzbeschluss:

 

Die Stadt Friedberg (Hessen) nimmt am flankierenden Investitionsprogramm des Entschuldungs-programms Hessenkasse teil.

 


Der Stadt Friedberg (Hessen) steht bei Erfüllung der Antragsvoraussetzungen (keine Kassenkredite zum vereinbarten Stichtag 17.08.2018) ein Zuschusskontingent in Höhe von 6.040.074 Euro zu.

 

Über die geplante Teilnahme an dem flankierenden Investitionsprogramm wird der Magistrat, der Haupt- und Finanzausschuss und die Stadtverordnetenversammlung mit dieser Vorlage informiert und um Zustimmung gebeten.

 

Ein gesonderter Beschluss der Stadtverordnetenversammlung über die Teilnahme am Investitionsprogramm ist gesetzlich nicht vorgesehen. Auf Grund der Höhe der Investitionssumme und der daraus resultierenden zukünftigen Aufgabenkritik sowohl seitens der Verwaltung, als auch der Politik, erachtet die Verwaltung einen Beschluss der städtischen Gremien trotzdem für sinnvoll und zielführend.

 

Die Anmeldung von konkreten Maßnahmen und der Abruf der Mittel aus dem Investitionskontingent sind erst ab 2019 vorgesehen, bzw. möglich. Die Maßnahmen, für die das Investitionskontingent eingesetzt werden soll, sind damit im Rahmen der jeweiligen Haushaltsplanung zu berücksichtigen.

 

Daher sieht der Gesetzentwurf eine Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung über die Teilnahme am Investitionsprogramm nicht vor. Die in Artikel 2 § 2 Abs. 1 und 4 HESSENKASSEG genannten Fristen gelten nur für den Fall der Kassenkreditentschuldung und sind bei der Antragstellung zur Teilnahme am Investitionsprogramm nicht relevant.

 

Mit dieser Vorlage soll das Entschuldungsprogramm allgemein (I-V) und speziell für die Stadt Friedberg (Hessen) (ab VI) vorgestellt werden:

 

I. Definition Hessenkasse:

 

Mit der Hessenkasse plant das Land, den Kommunen ihre im Kernhaushalt aufgenommenen Kassenkredite abzunehmen. Kassenkredite sind eine Verschuldungsform, die eigentlich ausschließlich der kurzfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit dient (ähnlich einem Kontokorrentkredit oder Dispokredit im privaten Bereich). Tatsächlich werden die Kassenkredite jedoch von einigen Kommunen zur dauerhaften Finanzierung laufender Defizite zweckentfremdet. Dies ist u.a. deshalb problematisch, weil diesen Kassenkrediten - im Gegensatz zu den Investitionskrediten - keine investiv geschaffenen Vermögenswerte (z.B. Schulgebäude, Brücke) gegenüberstehen. Vielmehr werden die in Form von konsumtiven Kassenkrediten angesammelten Lasten nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z.B. in Form investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst. Hohe dauerhafte Kassenkreditbestände (z.B. von 500 Euro je Einwohner oder mehr) sind ein Indikator für ein Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse.

 

Ein solches Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse ist in hunderten Kommunen Deutschlands zu beobachten. In ihrer Summe sind die Kassenkredite seit vielen Jahren stetig angestiegen. Erst in der jüngeren Vergangenheit haben sie sich auf hohem Niveau stabilisiert. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten zeigt sich, dass das Problem kurzfristiger (Kassenkredit-)Schulden in Deutschland am größten ausfällt.

 

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das Land Hessen eine Ablösung sämtlicher bis dato aufgelaufener „echter“ kommunaler Kassenkredite (Echte Kassenkredite nennt man kurzfristige Kredite, die zur Überbrückung von Einnahme- bzw. Ausgabeschwankungen dienen sollen (z.B. Steuerschwankungen oder Gehaltszahlungen). Tatsächlich werden Kassenkredite aber entgegen ihrer kommunalrechtlichen Bestimmung zur fortlaufenden Ausgabenfinanzierung verwendet und damit zweckentfremdet. (Diese nennt man dann „unechte oder investive“ Kassenkredite).

 

Zusammenfassend soll dieses wie folgt funktionieren:

 

·         Unter Beteiligung der WI-Bank wird das Entschuldungsprogramm „Hessenkasse“ aufgelegt werden und in das per 01.07.2018 alle „echten“ kommunalen Kassenkredite Hessens mit einem Volumen von rund 6 Milliarden Euro überführt werden.

 

·         Die Teilnahme an diesem Programm ist freiwillig.

 

·         Die Laufzeit des Entschuldungsprogramms soll je nach Verschuldung der einzelnen Kommune maximal 30 Jahre betragen.

 

·         Das Programm zur Ablösung aller kommunalen Kassenkredite wird durch ein Investitionsprogramm für die Kommunen flankiert, die besonders sparsam in der Vergangenheit gewirtschaftet und daher keine Kassenkredite aufgenommen haben, gleichzeitig jedoch finanzschwach sind.

 

·         Alle am Entschuldungsprogramm teilnehmenden Kommunen werden verpflichtet, pro Einwohner und Jahr einen Betrag in Höhe von 25€ zur Finanzierung des Programms zur Verfügung zu stellen.

 

·         Jede teilnehmende Kommune erhält eine Unterstützung durch das Programm in mindestens derselben Höhe wie ihr Eigenbetrag.

 

II. Aufbau der Hessenkasse:

 

Das Programm „Hessenkasse“ unterteilt sich in drei Abteilungen:

 

Abteilung I:

 

Differenzierung nach „echten Kassenkrediten“ (zur Liquiditätssicherung und zur liquiditätsmäßigen Absicherung der strukturellen Haushaltsdefizite) und „investiven Kassenkrediten“ (Kassenkredite, mit welchen Investitionen finanziert wurden, sind nicht Gegenstand des Entschuldungsprogramms) sowie Gegenüberstellung mit vorhandener Liquidität und vorhandenen Kapitalanlagen.

Abteilung II:

 

Die „echten Kassenkredite“ aus Abteilung I werden hier in die sogenannte Hessenkasse übernommen.

 

Abteilung III:

 

Investitionsprogramm in Höhe von rund 500 Mio. € für sparsame und finanzschwache Kommunen ohne Kassenkredite.

 

III. Investitionsprogramm:

 

Wie zuvor beschrieben wird zu der Hessenkasse ein flankierendes Investitionsprogramm aufgelegt, welches dafür Sorge tragen soll, dass sparsame, aber finanzschwache Kommunen, die in den letzten Jahren keine Kassenkredite angehäuft haben und daher nicht für das Entschuldungsprogramm in Frage kommen, nicht benachteiligt werden.

 

Der Verwendungszweck des Investitionsprogramms soll sehr weit gefasst werden und die Mittel ganz allgemein für Investitionen in die kommunale Infrastruktur verwendet werden können. Das Förderverfahren soll einfach und flexibel ausgestaltet werden. Dabei übernimmt das I-Programm 90% der Kosten einer konkreten Fördermaßnahme. Die teilnehmenden Kommunen müssen sich mit einem Eigenanteil von 10% beteiligen, wobei auch hierfür ein Darlehensprogramm der WI-Bank vorgesehen ist, dessen Zinsen das Land übernimmt.

 

Die Teilnahmekriterien am Investitionsprogramm gestalten sich wie folgt:

 

·         die antragsberechtigte Kommune darf per 30.06.2018 (oder einem vereinbarten späteren Zeitpunkt) über keine Kassenkredite verfügen,

 

·         Keine dauerhafte Abundanz: Die teilnahmeberechtigen Kommunen dürfen in den vergangenen 15 Jahren maximal 10 Mal das Kriterium der „Abundanz“ erfüllt haben (Abundante Kommunen, sind Kommunen deren Finanzkraft höher ist als ihr Finanzbedarf)

 

·         Finanzschwäche: Die teilnehmenden Kommunen müssen eine unterdurchschnittliche nivellierte Steuereinnahmekraft vorweisen, die geringer ist als 90%  bzw. 95% der Durchschnitts Ihrer jeweiligen Gruppe

 

oder

 

Strukturschwäche: Die teilnehmenden Kommunen müssen strukturschwach sein, also eine geringere Besiedlungsdichte (unterdurchschnittliche Einwohnerzahl je Quadratkilometer) oder einen Einwohnerrückgang zwischen 2004 und 2014 zu verzeichnen haben

 

IV. Günstigerprüfung

 

Bei einer Gesamtbetrachtung beider Programmbestandteile der Hessenkasse (Entschuldungs- und Investitionsprogramm) ist festzuhalten, dass mehr als 90% aller hessischen Kommunen in einem der beiden Programme antragsberechtigt sind. Diese Zahlen spiegeln den Stand vor den Einzelgesprächen mit den Kommunen wider und können sich daher noch verändern. Insbesondere, da das Land eine sogenannte Günstigerprüfung durchführen möchte.

 

Im Rahmen dieser Prüfung soll ermittelt werden, ob Kommunen, die im „Entschuldungsteil“ der Hessenkasse teilnahmeberechtigt sind (und damit eigentlich nicht für das I-Programm in Frage kommen), jedoch vergleichsweise geringe ablösungsfähige Kassenkreditbestände aufweisen, dennoch durch eine Teilnahme am Investitionsprogramm der Hessenkasse höhere Fördervolumina als Entschuldungshilfe erhalten können.

 

Die auf die jeweiligen Kommune aus dem Investitionsprogramm entfallenden Förderkontingente werden durch die Verwendung gewichteter Einwohnerzahlen ermittelt.

Diese Einwohnergewichtung wird anhand der relativen Finanzschwäche bzw. –stärke innerhalb derselben kommunalen Gruppe ermittelt. Eine hohe Finanzkraft führt danach zu einer geringen Einwohnergewichtung und umgekehrt. Ein weiteres Verteilkriterium ist die Steuereinnahmekraft.

 

V. Finanzaufsichtliche Begleitung der Hessenkasse

 

Unter dem Stichwort „Gegengeschäft“ zur Hessenkasse sind diverse Änderungen bzw. Verschärfung des Gemeindehaushaltsrechts bzw. der einschlägigen Vorschriften der HGO und in der GemHVO vorgesehen. Es ist aktuell insbesondere an folgende Punkte gedacht:

 

·         Pflicht zum jahresbezogenen Haushaltsausgleich nicht nur wie bisher in der Planung, sondern auch in der Rechnung / im Vollzug (§92 HGO)

 

·         Aufnahme eines ausdrücklichen Überschuldungsverbotes (§92 HGO)

 

·         Ausdrückliches Verbot des Missbrauchs von Kassenkrediten: Die Tilgung von Krediten muss mit ordentlichen Einnahmen und darf nicht mit neuen Kassenkrediten erwirtschaftet werden

 

·         Künftig zusätzliche Genehmigungstatbestände zur Haushaltssatzung:

 

o   Kein Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses

o   Keine ausreichende Erwirtschaftung der Tilgungsleistung für Kredite

o   Unausgeglichene Jahresabschlüsse der vergangen Jahre

 

·         Aufnahme einer Verpflichtung zum umgehenden Rückführung von Kassenkrediten

 

·         Verpflichtung zum Aufbau eines „Liquiditätspuffers“

 

·         Detailregelungen in der GemHVO zur Liquiditätsübersicht und Liquiditätsplanung

 

·         „Reset Taste“ für Altfehlbeträge: Fehlbeträge sollen einmalig und letztmalig in der Bilanz verrechnet werden können

 

Nähere Erkenntnisse zur konkreten gesetzgeberischen Umsetzung dieser Verschärfungen des kommunalen Haushaltsrechts im Zuge der Hessenkasse wurden bis dato noch nicht veröffentlicht. Es gibt lediglich einen Gesetzesentwurf zum so genannten Hessenkassengesetz (Anlage 1).

 

VI. Hessenkasse Stadt Friedberg (Hessen)

 

05.02.2018 Gespräch mit den Kreditprüfern im Hessischen Finanzministerium

 

Die Stadt Friedberg (Hessen) ist bezüglich des Investitionsprogramms vorgesehen. Das „Günstigerprinzip“ trifft für die Stadt Friedberg (Hessen) zu.

 

Zu diesem Gespräch haben wir am 15.02.2018 per Email die Präsentation zum Gespräch der Hessenkasse mit der Stadt Friedberg (Hessen) (Anlage 2) und das Ergebnisprotokoll (Anlage 3) erhalten.

 

26.02.2018 Mitteilungsvorlage Magistrat (DS 16-21/0634)

 

Sachstand Hessenkasse (Anlage 4)

 

VII. Empfehlung des HSGB

 

siehe Anlage 5

 

VIII. Empfehlung der Verwaltung

 

Die Stadt Friedberg (Hessen) sollte am flankierenden Investitionsprogramm des Entschuldungsprogramms Hessenkasse teilnehmen. Die Stadt Friedberg (Hessen) bekommt auf diesem Weg ein Zuschusskontingent in Höhe von 6.040.074 Euro zugeteilt. Die gesetzlichen Regelungen und finanzaufsichtliche Begleitung werden auch für nicht beitretende Kommunen größtenteils gelten (Punkt V dieser Vorlage).