Beschlussentwurf:
Grundsatzbeschluss:
Die Stadt Friedberg (Hessen) nimmt am flankierenden Investitionsprogramm des Entschuldungs-programms Hessenkasse teil.
Der Stadt Friedberg (Hessen) steht bei Erfüllung der
Antragsvoraussetzungen (keine Kassenkredite zum vereinbarten Stichtag
17.08.2018) ein Zuschusskontingent in Höhe von 6.040.074 Euro zu.
Über die geplante Teilnahme an dem flankierenden
Investitionsprogramm wird der Magistrat, der Haupt- und Finanzausschuss und die
Stadtverordnetenversammlung mit dieser Vorlage informiert und um Zustimmung
gebeten.
Ein gesonderter Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung über die Teilnahme am Investitionsprogramm ist
gesetzlich nicht vorgesehen. Auf Grund der Höhe der Investitionssumme und der
daraus resultierenden zukünftigen Aufgabenkritik sowohl seitens der Verwaltung,
als auch der Politik, erachtet die Verwaltung einen Beschluss der städtischen
Gremien trotzdem für sinnvoll und zielführend.
Die Anmeldung von konkreten Maßnahmen und der Abruf der Mittel aus dem
Investitionskontingent sind erst ab 2019 vorgesehen, bzw. möglich. Die
Maßnahmen, für die das Investitionskontingent eingesetzt werden soll, sind
damit im Rahmen der jeweiligen Haushaltsplanung zu berücksichtigen.
Daher sieht der Gesetzentwurf eine Beschlussfassung der
Stadtverordnetenversammlung über die Teilnahme am Investitionsprogramm nicht vor.
Die in Artikel 2 § 2 Abs. 1 und 4 HESSENKASSEG genannten Fristen gelten nur für
den Fall der Kassenkreditentschuldung und sind bei der Antragstellung zur
Teilnahme am Investitionsprogramm nicht relevant.
Mit dieser Vorlage soll das Entschuldungsprogramm allgemein (I-V) und
speziell für die Stadt Friedberg (Hessen) (ab VI) vorgestellt werden:
I.
Definition Hessenkasse:
Mit der Hessenkasse plant das Land, den Kommunen ihre im Kernhaushalt
aufgenommenen Kassenkredite abzunehmen. Kassenkredite sind eine
Verschuldungsform, die eigentlich ausschließlich der kurzfristigen Sicherung
der Zahlungsfähigkeit dient (ähnlich einem Kontokorrentkredit oder Dispokredit
im privaten Bereich). Tatsächlich werden die Kassenkredite jedoch von einigen
Kommunen zur dauerhaften Finanzierung laufender Defizite zweckentfremdet. Dies
ist u.a. deshalb problematisch, weil diesen Kassenkrediten - im Gegensatz zu
den Investitionskrediten -
keine investiv geschaffenen Vermögenswerte (z.B. Schulgebäude, Brücke)
gegenüberstehen. Vielmehr werden die in Form von konsumtiven Kassenkrediten
angesammelten Lasten nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen
Generationen aus der Verschuldung (z.B. in Form investiv geschaffener
Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst. Hohe dauerhafte Kassenkreditbestände
(z.B. von 500 Euro je Einwohner oder mehr) sind ein Indikator für ein
Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse.
Ein solches Wirtschaften über die eigenen Verhältnisse ist in hunderten
Kommunen Deutschlands zu beobachten. In ihrer Summe sind die Kassenkredite seit
vielen Jahren stetig angestiegen. Erst in der jüngeren Vergangenheit haben sie
sich auf hohem Niveau stabilisiert. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten zeigt
sich, dass das Problem kurzfristiger (Kassenkredit-)Schulden in Deutschland am
größten ausfällt.
Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das Land Hessen eine Ablösung
sämtlicher bis dato aufgelaufener „echter“ kommunaler Kassenkredite (Echte
Kassenkredite nennt man kurzfristige Kredite, die zur Überbrückung von Einnahme-
bzw. Ausgabeschwankungen dienen sollen (z.B. Steuerschwankungen oder
Gehaltszahlungen). Tatsächlich werden Kassenkredite
aber entgegen ihrer kommunalrechtlichen Bestimmung zur fortlaufenden
Ausgabenfinanzierung verwendet und damit zweckentfremdet. (Diese nennt man dann
„unechte oder investive“ Kassenkredite).
Zusammenfassend soll dieses wie folgt funktionieren:
·
Unter
Beteiligung der WI-Bank wird das Entschuldungsprogramm „Hessenkasse“ aufgelegt
werden und in das per 01.07.2018 alle „echten“ kommunalen Kassenkredite Hessens
mit einem Volumen von rund 6 Milliarden Euro überführt werden.
·
Die
Teilnahme an diesem Programm ist freiwillig.
·
Die
Laufzeit des Entschuldungsprogramms soll je nach Verschuldung der einzelnen
Kommune maximal 30 Jahre betragen.
·
Das
Programm zur Ablösung aller kommunalen Kassenkredite wird durch ein
Investitionsprogramm für die Kommunen flankiert, die besonders sparsam in der
Vergangenheit gewirtschaftet und daher keine Kassenkredite aufgenommen haben,
gleichzeitig jedoch finanzschwach sind.
·
Alle
am Entschuldungsprogramm teilnehmenden Kommunen werden verpflichtet, pro
Einwohner und Jahr einen Betrag in Höhe von 25€ zur Finanzierung des Programms
zur Verfügung zu stellen.
·
Jede
teilnehmende Kommune erhält eine Unterstützung durch das Programm in mindestens
derselben Höhe wie ihr Eigenbetrag.
II. Aufbau der
Hessenkasse:
Das Programm „Hessenkasse“ unterteilt sich in drei Abteilungen:
Abteilung I:
Differenzierung nach „echten Kassenkrediten“ (zur Liquiditätssicherung
und zur liquiditätsmäßigen Absicherung der strukturellen Haushaltsdefizite) und
„investiven Kassenkrediten“ (Kassenkredite, mit welchen Investitionen
finanziert wurden, sind nicht Gegenstand des Entschuldungsprogramms) sowie
Gegenüberstellung mit vorhandener Liquidität und vorhandenen Kapitalanlagen.
Abteilung II:
Die „echten Kassenkredite“ aus Abteilung I werden hier in die sogenannte
Hessenkasse übernommen.
Abteilung III:
Investitionsprogramm in Höhe von rund 500 Mio. € für sparsame und
finanzschwache Kommunen ohne Kassenkredite.
III.
Investitionsprogramm:
Wie zuvor beschrieben wird zu der Hessenkasse ein flankierendes
Investitionsprogramm aufgelegt, welches dafür Sorge tragen soll, dass sparsame,
aber finanzschwache Kommunen, die in den letzten Jahren keine Kassenkredite
angehäuft haben und daher nicht für das Entschuldungsprogramm in Frage kommen,
nicht benachteiligt werden.
Der Verwendungszweck des Investitionsprogramms soll sehr weit gefasst
werden und die Mittel ganz allgemein für Investitionen in die kommunale
Infrastruktur verwendet werden können. Das Förderverfahren soll einfach und
flexibel ausgestaltet werden. Dabei übernimmt das I-Programm 90% der Kosten
einer konkreten Fördermaßnahme. Die teilnehmenden Kommunen müssen sich mit
einem Eigenanteil von 10% beteiligen, wobei auch hierfür ein Darlehensprogramm
der WI-Bank vorgesehen ist, dessen Zinsen das Land übernimmt.
Die Teilnahmekriterien am Investitionsprogramm gestalten sich wie folgt:
·
die
antragsberechtigte Kommune darf per 30.06.2018 (oder einem vereinbarten
späteren Zeitpunkt) über keine Kassenkredite verfügen,
·
Keine
dauerhafte Abundanz: Die teilnahmeberechtigen Kommunen dürfen in den
vergangenen 15 Jahren maximal 10 Mal das Kriterium der „Abundanz“ erfüllt haben
(Abundante Kommunen, sind Kommunen deren Finanzkraft höher ist als ihr
Finanzbedarf)
·
Finanzschwäche:
Die teilnehmenden Kommunen müssen eine unterdurchschnittliche nivellierte
Steuereinnahmekraft vorweisen, die geringer ist als 90% bzw. 95% der Durchschnitts Ihrer jeweiligen
Gruppe
oder
Strukturschwäche: Die teilnehmenden Kommunen
müssen strukturschwach sein, also eine geringere Besiedlungsdichte
(unterdurchschnittliche Einwohnerzahl je Quadratkilometer) oder einen
Einwohnerrückgang zwischen 2004 und 2014 zu verzeichnen haben
IV.
Günstigerprüfung
Bei einer Gesamtbetrachtung beider Programmbestandteile der Hessenkasse
(Entschuldungs- und Investitionsprogramm) ist festzuhalten, dass mehr als 90%
aller hessischen Kommunen in einem der beiden Programme antragsberechtigt sind.
Diese Zahlen spiegeln den Stand vor den Einzelgesprächen mit den Kommunen wider
und können sich daher noch verändern. Insbesondere, da das Land eine sogenannte
Günstigerprüfung durchführen möchte.
Im Rahmen dieser Prüfung soll ermittelt werden, ob Kommunen, die im
„Entschuldungsteil“ der Hessenkasse teilnahmeberechtigt sind (und damit
eigentlich nicht für das I-Programm in Frage kommen), jedoch vergleichsweise
geringe ablösungsfähige Kassenkreditbestände aufweisen, dennoch durch eine
Teilnahme am Investitionsprogramm der Hessenkasse höhere Fördervolumina als
Entschuldungshilfe erhalten können.
Die auf die jeweiligen Kommune aus dem Investitionsprogramm entfallenden
Förderkontingente werden durch die Verwendung gewichteter Einwohnerzahlen
ermittelt.
Diese Einwohnergewichtung wird anhand der relativen Finanzschwäche bzw.
–stärke innerhalb derselben kommunalen Gruppe ermittelt. Eine hohe Finanzkraft
führt danach zu einer geringen Einwohnergewichtung und umgekehrt. Ein weiteres
Verteilkriterium ist die Steuereinnahmekraft.
V.
Finanzaufsichtliche Begleitung der Hessenkasse
Unter dem Stichwort „Gegengeschäft“ zur Hessenkasse sind diverse
Änderungen bzw. Verschärfung des Gemeindehaushaltsrechts bzw. der einschlägigen
Vorschriften der HGO und in der GemHVO vorgesehen. Es ist aktuell insbesondere
an folgende Punkte gedacht:
·
Pflicht
zum jahresbezogenen Haushaltsausgleich nicht nur wie bisher in der Planung,
sondern auch in der Rechnung / im Vollzug (§92 HGO)
·
Aufnahme
eines ausdrücklichen Überschuldungsverbotes (§92 HGO)
·
Ausdrückliches
Verbot des Missbrauchs von Kassenkrediten: Die Tilgung von Krediten muss mit
ordentlichen Einnahmen und darf nicht mit neuen Kassenkrediten erwirtschaftet
werden
·
Künftig
zusätzliche Genehmigungstatbestände zur Haushaltssatzung:
o
Kein
Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses
o
Keine
ausreichende Erwirtschaftung der Tilgungsleistung für Kredite
o
Unausgeglichene
Jahresabschlüsse der vergangen Jahre
·
Aufnahme
einer Verpflichtung zum umgehenden Rückführung von Kassenkrediten
·
Verpflichtung
zum Aufbau eines „Liquiditätspuffers“
·
Detailregelungen
in der GemHVO zur Liquiditätsübersicht und Liquiditätsplanung
·
„Reset
Taste“ für Altfehlbeträge: Fehlbeträge sollen einmalig und letztmalig in der
Bilanz verrechnet werden können
Nähere Erkenntnisse zur konkreten gesetzgeberischen Umsetzung dieser
Verschärfungen des kommunalen Haushaltsrechts im Zuge der Hessenkasse wurden
bis dato noch nicht veröffentlicht. Es gibt lediglich einen Gesetzesentwurf zum
so genannten Hessenkassengesetz (Anlage 1).
VI. Hessenkasse
Stadt Friedberg (Hessen)
05.02.2018
Gespräch mit den Kreditprüfern im Hessischen Finanzministerium
Die Stadt Friedberg (Hessen) ist bezüglich des Investitionsprogramms
vorgesehen. Das „Günstigerprinzip“ trifft für die Stadt Friedberg (Hessen) zu.
Zu diesem Gespräch haben wir am 15.02.2018 per Email die Präsentation
zum Gespräch der Hessenkasse mit der Stadt Friedberg (Hessen) (Anlage 2) und
das Ergebnisprotokoll (Anlage 3) erhalten.
26.02.2018
Mitteilungsvorlage Magistrat (DS 16-21/0634)
Sachstand Hessenkasse (Anlage 4)
VII. Empfehlung
des HSGB
siehe Anlage 5
VIII. Empfehlung
der Verwaltung
Die Stadt Friedberg (Hessen) sollte am flankierenden
Investitionsprogramm des Entschuldungsprogramms Hessenkasse teilnehmen. Die Stadt
Friedberg (Hessen) bekommt auf diesem Weg ein Zuschusskontingent
in Höhe von 6.040.074 Euro zugeteilt. Die gesetzlichen Regelungen und
finanzaufsichtliche Begleitung werden auch für nicht beitretende Kommunen
größtenteils gelten (Punkt V dieser Vorlage).