Beschluss: zur Kenntnis genommen

Beschlussentwurf:

Bereits durch seine Verkaufsflächengröße (insgesamt 45.000 m²) wirkt das geplante Möbelhaus nachhaltig in das Umland hinein, auch wenn gutachterliche Stellungnahmen es anders belegen. Hinzu kommt, dass das Vorhaben wie ein Einkaufszentrum anzusehen ist; dies wird nicht nur durch den zu erwartenden weitreichenden Einzugsbereich belegt, sondern auch durch die Bündelung verschiedener großer Fachabteilungen (Möbelkernsortiment, dazu Teppiche, dazu Lampen und Leuchten, dazu nicht zentrenrelevante Sortimente, dazu zentrenrelevante Randsortimente).  Diese Fachabteilungen sowie die „Mitnahmeeffekte“ sind es, die in der Praxis bei solchen „Einrichtungshäusern“ ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht für das Projekt und damit negative Auswirkungen auf das Umland haben.

 

Obwohl die zentrenrelevanten Sortimente, wie bereits in dem früheren Verfahren gefordert wurde, im vorliegenden Entwurf auf 800 m² begrenzt werden, ist landesweit in den letzten Jahrzehnten die Aushöhlung der wirtschaftlichen Basis zentraler Versorgungsbereiche in den Mittelzentren – nicht zuletzt auch in Friedberg, durch die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel in nicht integrierten Lagen zu beobachten.

Da das Vorhaben aus planungsrechtlichen Gründen jedoch nicht verhindert werden kann, wird der

7 Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans 2010 für die Stadt Bad Vilbel, Gebiet „Im Schleid“ im Rahmen der Beteiligung gem. 4 (2) BauGB unter Beibehaltung der vorgenannten grundsätzlichen Bedenken, zugestimmt.

 


Sach- und Rechtslage:

Vorbemerkungen/Rückblick

Für die Ansiedlung eines Segmüller-Möbelhauses hat die Stadt Bad Vilbel im Jahr 2010 einen Antrag auf Abweichung von den Zielen der Regionalplanung beim Regierungspräsidium (RP) gestellt. Es handelte sich um ein Möbelhaus mit insgesamt 45.000 qm Verkaufsfläche mit geplanten Gastronomieangeboten und Aktions- und Eventflächen. Vorgesehen waren auch Verkaufsflächen für zentrenrelevante Randsortimente von rd. 5000 m². Die Stadt Friedberg hat sich damals zusammen mit anderen Städten und Gemeinden in der Region gegen die Planung ausgesprochen. Der Hauptgrund war die Gefahr, dass die zentralen Versorgungsbereiche der Innenstädte der Nachbarkommunen durch das Vor­haben, und hier insbesondere durch die immens großen Flächen für zentrenrelevante Randsortimente, massiv geschädigt werden.

Regionaler Flächennutzungsplan 2010

Der Standort des geplanten Möbelhauses ist im Regionalen Flächennutzungsplan 2010 als „Gewerbliche Baufläche, geplant“ dargestellt. Von der Stadt Bad Vilbel wurde ein erforderliches Änderungsverfahren beim Regionalverband FrankfurtRheinMain beantragt. Dieses befindet sich bereits in der Durchführung. Die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans 2010 erfolgt parallel zum Bebauungsplanänderungsverfahren.

Zielabweichungsverfahren

Im Regionalplan Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplan 2010 ist die Stadt Bad Vilbel als Mittelzentrum im Verdichtungsraum ausgewiesen.

Als Mittelzentrum ist Bad Vilbel grundsätzlich als Standort für großflächigen Einzelhandel zulässig. Das geplante großflächige Einzelhandelsvorhaben widerspricht jedoch auf Grund des geplanten Standorts sowie des weiten Einzugsgebietes weiteren formalen regionalplanerischen Zielen des Regionalplans Südhessen/ Regionalen Flächennutzungsplans 2010.

Ein Antrag auf Abweichung von den Zielen des Regionalplanes Südhessen 2010 i. S. d. § 6 Raumordnungsgesetz (ROG) sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im Schleid) für die Ausweisung eines Sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel wurde seitens der Stadt Bad Vilbel im Mai 2020 gestellt

Der positiv beschiedene Zielabweichungsbescheid liegt seit dem 27.01.2021 vor. Die Entscheidung lautet wie folgt:

I.    „Für die Festsetzung eines sonstigen Sondergebiets mit der Zweckbestimmung Möbelmarkt durch die 5. Änderung des Bebauungsplans „Im Schleid“ sowie die entsprechende Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans Frankfurt-RheinMain 2010 wird die Abweichung von den Zielen Z3.4.1-3 (Sonderbauflächen nur im Vorranggebiet Siedlung), Z3.4.3-2 Abs. 1 Satz 2 (Kongruenzgebot), Z3.4.3-3 Satz 1 (kein Einzelhandel im Vorranggebiet Industrie und Gewerbe) sowie Z3.4.3-5 des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans 2010 (Regionalbedeutsamer großflächiger Einzelhandel) zugelassen.“

 

Aktuelles Anhörungsverfahren

Als Fortführung der vorgenannten diversen Änderungsverfahren hat der Regionalverband FrankfurtRheinMain mit Schreiben vom 16.07.2021 die Unterlagen zur geplanten 7. Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplan 2010, für die Stadt Bad Vilbel, Gebiet „Im Schleid“ (Segmüller), mit der Aufforderung zur Stellungnahme bis zum 16.07.2021 vorgelegt.

Diese Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans wird im Parallelverfahren zur Bebauungsplanänderung durchgeführt.

Die vom Regionalverband vorgelegten Unterlagen sind dieser Vorlage als Anlage 01 beigelegt. Darüber hinaus hat der Regionalverband die von der Stadt Bad Vilbel vorgelegten Unterlagen zum Bebauungsplanänderungsverfahren „5. Änderung des Bebauungsplanes Auf der Schleid“ ebenfalls zu Grunde gelegt. Diese Unterlagen sind, als Anlage 01 – 10 in der parallel zur Beratung vorgelegten Vorlage zur 5. Änderung des Bebauungsplanes „Auf der Schleid“, einzusehen (DS-Nr.: 21-26/0116).

Zum Bebauungsplanverfahren wurde seitens der Stadt Friedberg die Stadt- und Regionalentwicklungs GmbH Dr. Donato Acocella mit der Plausibilitätsprüfung der von der Stadt Bad Vilbel erstellten/zugrunde gelegten Gutachten beauftragt. (s. Anlage 00)

Die von der Stadt Friedberg beauftragte Plausibilitätsprüfung kommt zu folgendem Ergebnis, welches auch für die Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplan 2010 anzuwenden ist:

 

„ERGEBNIS

Die Auswirkungsanalyse der GMA weist - ohne Auseinandersetzung im Detail - keine erkennbaren methodischen Fehler auf - auch wenn bezüglich des worst-case-Ansatzes einige Aspekte wirkungsbezogen eher keinen worst case darstellen (vgl. Kap. 2.2). Dennoch stellen die von der GMA angesetzten/ ermittelten Flächenleistungen insbe­sondere bei den Sortimenten, für die gegen den Einzelhandel in Friedberg über­haupt nachweisbare Umverteilungen abgeleitet wurden, durchaus einen worst case dar (Kap. 2.5.1).

Ohnehin waren nach der starken Begrenzung der zentrenrelevanten Randsortimente im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen von 2010 (zunächst 5.000 m2, später 3.900 m2 VKF) keine wesentlichen Beeinträchtigungen der zentralen Versorgungs­bereiche mehr zu erwarten (vgl. Kap. 2.1).

Bei den nicht zentrenrelevanten Sortimenten erscheint ein Abstellen auf höhere re­lative Umverteilungswerte - wie die von der GMA benannten 20% - nachvollziehbar (vgl. Kap. 2.5.1).

Damit ist gemessen an den ausgelösten Umverteilungen keine wesentliche Beeinträchtigung der Stadt Friedberg durch das Vorhaben in Bad Vilbel zu erwarten (vgl. Kap. 2.5.1).

Allerdings erfüllt die Auswirkungsanalyse der GMA die Anforderung der Transparenz von Verträglichkeitsuntersuchungen nur eingeschränkt: Die Ist-Situation in den einzelnen Städten wird von der GMA nicht übersichtlich (in einer Tabelle) und nicht vollständig (ohne Zentralitäten) dargestellt (Kap. 2.4).

In der Folge thematisiert die GMA nicht, dass Friedberg bei den untersuchten Sor­timenten gemessen an der zentralörtlichen Funktion als Mittelzentrum mit Teil­funktionen eines Oberzentrums ein äußerst geringes Angebot aufweist (vgl. ferner Kap. 2.1).

Wäre eine solche Darstellung insbesondere der Zentralitäten erfolgt, so wäre die Frage nach der Ursache zu klären gewesen. Ursächlich dafür können Vorschädigungen der Stadt Friedberg sein.

Gerade nachdem die GMA selbst die Thematisierung von Vorschädigungen zu den „einschlägigen wissenschaftlichen Standards zählt (Kap. 2.3), wäre im Fall von Fried­berg gemessen“ an diesem Maßstab die Auseinandersetzung mit möglichen Vorschädigungen zwingend gewesen.

 

Im Fall von Vorschädigungen stellt sich die Frage, ob Maßstab für eine Unverträg­lichkeit tatsächlich in erster Linie die ausgelösten Umverteilungen sein sollten: Wo kein Einzelhandel mehr in größerem Umfang vorhanden ist, können sich keine nach­weisbaren Umverteilungen mehr ergeben (Kap. 2.5.2).

In diesem Fall wäre es sinnvoller, die Unverträglichkeit daran zu messen, ob Ent­wicklungsmöglichkeiten, die zur Wahrnehmung der zentralörtlichen Funktion er­griffen werden können, durch ein Vorhaben wesentlich beschnitten werden.

In diesem Sinne ist eine Beeinträchtigung des Mittelzentrums mit Teilfunktionen eines Oberzentrums Friedberg möglich - und auf Grundlage der Auswirkungs­analyse der GMA nicht auszuschließen.

Die Plausibilitätsprüfung von Stadt + Handel hat die Auswirkungsanalyse der GMA im Wesentlichen bestätigt. Auf die hier angeführten Aspekte ist Stadt + Handel nicht eingegangen.

Ergänzend wurden vorliegend einige Aspekte, die auch den B-Plan betreffen, auf­geführt (Kap. 2.6):

·    Es ist unklar, warum ein Flächenpool lediglich für die 800 m2 VKF zentrenrelevan­ter Randsortimente gebildet wird - und für die übrigen 44.200 m2 VKF ein starres Sortimentskonzept festgesetzt wird.

·    Babyartikel setzen sich aus verschiedenen Sortimenten zusammen.

·    Die Argumentation zur Einstufung von Lampen/ Leuchten als nicht zentrenrelevant in Bad Vilbel ist nachvollziehbar. Allerdings lässt die GMA im Unklaren, ob das Einvernehmen mit der Regionalversammlung Südhessen sowie mit dem Planungs­verband hergestellt wurde.“

 

Fazit:

Auch wenn die Errichtung eines Möbelhauses in der geplanten Größenordnung seitens der Stadt Friedberg aus verschiedenen Aspekten kritisch gesehen wird, kann das Vorhaben „Segmüller“ aus planerischer und rechtlich fundierter Sicht seitens der Stadt Friedberg nicht verhindert werden.

 

In der abzugebenden Stellungnahme (s. Beschlussvorschlag) wird, da das Vorhaben aus planungsrechtlichen Gründen nicht verhindert werden kann, dem  Änderungsverfahren „7. Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionaler Flächennutzungsplan 2010 für das Gebiet der Stadt Bad Vilbel „Im Schleid“ im Rahmen der Beteiligung gem. § 4 (2) BauGB unter Beibehaltung der bereits vorgetragenen grundsätzlichen  Bedenken, zugestimmt.