Sitzung: 08.09.2021 Ausschuss für Stadtentwicklung
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Beschlussentwurf:
Bereits durch seine Verkaufsflächengröße (insgesamt
45.000 m²) wirkt das geplante Möbelhaus nachhaltig in das Umland hinein. Hinzu
kommt, dass das Vorhaben wie ein Einkaufszentrum anzusehen ist; dies
wird nicht nur durch den zu erwartenden weit reichenden Einzugsbereich belegt,
sondern auch durch die Bündelung verschiedener großer Fachabteilungen
(Möbelkernsortiment, dazu Teppiche, dazu Lampen und Leuchten, dazu nicht
zentrenrelevante Sortimente, dazu zentrenrelevante Randsortimente). Diese Fachabteilungen sowie die
„Mitnahmeeffekte“ sind es, die in der Praxis bei solchen „Einrichtungshäusern“
ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht für das Projekt und damit negative
Auswirkungen auf das Umland haben.
Obwohl die zentrenrelevanten Sortimente, wie
bereits in dem früheren Verfahren gefordert wurde, im vorliegenden Entwurf auf
800 m² begrenzt werden, ist landesweit in den letzten Jahrzehnten die
Aushöhlung der wirtschaftlichen Basis zentraler Versorgungsbereiche in den
Mittelzentren – nicht zuletzt auch in Friedberg, durch die Ansiedlung von
großflächigem Einzelhandel in nicht integrierten Lagen zu beobachten.
Da das Vorhaben aus planungsrechtlichen Gründen
jedoch nicht verhindert werden kann, wird dem Bebauungsplanverfahren 5.
Änderung „Im Schleid“ im Rahmen der Beteiligung gem. §§ 2(2) und 4 (2) BauGB unter Beibehaltung der
vorgenannten grundsätzlichen Bedenken, zugestimmt.
Sach- und Rechtslage:
Vorbemerkungen/Rückblick
Für die Ansiedlung eines
Segmüller-Möbelhauses hat die Stadt Bad Vilbel im Jahr 2010 einen Antrag auf Abweichung von den Zielen
der Regionalplanung beim Regierungspräsidium (RP) gestellt. Es handelte sich um
ein Möbelhaus mit insgesamt 45.000 qm Verkaufsfläche mit geplanten
Gastronomieangeboten und Aktions- und Eventflächen. Vorgesehen waren auch
Verkaufsflächen für zentrenrelevante Randsortimente von rd. 5000 m². Die Stadt
Friedberg hat sich damals zusammen mit anderen Städten und Gemeinden in der
Region gegen die Planung ausgesprochen. Der Hauptgrund war die Gefahr, dass die
zentralen Versorgungsbereiche der Innenstädte der Nachbarkommunen durch das Vorhaben,
und hier insbesondere durch die immens großen Flächen für zentrenrelevante
Randsortimente, massiv geschädigt werden.
Regionaler
Flächennutzungsplan 2010
Der
Standort des geplanten Möbelhauses ist im Regionalen Flächennutzungsplan 2010
als „Gewerbliche Baufläche, geplant“ dargestellt. Von der Stadt Bad Vilbel
wurde ein erforderliches Änderungsverfahren beim Regionalverband FrankfurtRheinMain
beantragt. Dieses befindet sich bereits in der Durchführung. Die Änderung des
Regionalen Flächennutzungsplans 2010 erfolgt parallel zum
Bebauungsplanänderungsverfahren.
Zielabweichungsverfahren
Im Regionalplan Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplan
2010 ist die Stadt Bad Vilbel als Mittelzentrum im Verdichtungsraum
ausgewiesen.
Als Mittelzentrum ist Bad Vilbel
grundsätzlich als Standort für großflächigen Einzelhandel zulässig. Das
geplante großflächige Einzelhandelsvorhaben widerspricht jedoch auf Grund des
geplanten Standorts sowie des weiten Einzugsgebietes weiteren formalen
regionalplanerischen Zielen des Regionalplans Südhessen/ Regionalen
Flächennutzungsplans 2010.
Ein Antrag auf Abweichung von den
Zielen des Regionalplanes Südhessen 2010 i. S. d. § 6 Raumordnungsgesetz (ROG)
sowie § 8 Hessisches Landesplanungsgesetz (HLPG) im Bereich „Quellenpark“ (Im
Schleid) für die Ausweisung eines Sonstigen Sondergebietes „Möbelmarkt“ im
Stadtgebiet der Stadt Bad Vilbel wurde seitens der Stadt Bad Vilbel im Mai 2020
gestellt
Der positiv beschiedene
Zielabweichungsbescheid liegt seit dem 27.01.2021 vor. Die Entscheidung lautet
wie folgt:
I.
„Für
die Festsetzung eines sonstigen Sondergebiets mit der Zweckbestimmung
Möbelmarkt durch die 5. Änderung des Bebauungsplans „Im Schleid“ sowie die
entsprechende Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans Frankfurt-RheinMain
2010 wird die Abweichung von den Zielen Z3.4.1-3 (Sonderbauflächen nur im
Vorranggebiet Siedlung), Z3.4.3-2 Abs. 1 Satz 2 (Kongruenzgebot), Z3.4.3-3 Satz
1 (kein Einzelhandel im Vorranggebiet Industrie und Gewerbe) sowie Z3.4.3-5 des
Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans 2010
(Regionalbedeutsamer großflächiger Einzelhandel) zugelassen.“
Aktuelles
Anhörungsverfahren
Mit Schreiben vom
10.06.2021 wurden die Informationen zur geplanten 5. Änderung des
Bebauungsplans „Im Schleid“ (vorgesehener Standort für Segmüller) zur
Abstimmung mit den benachbarten Gemeinden nach § 3 Abs. 2 BauGB übersandt.
Frist zur Abgabe der
Stellungnahme ist der 09.08.2021 (auf Antrag bereits verlängert).
Der
Planentwurf mit Begründung, Umweltbericht, Sachstandsbericht Artenschutz,
Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines Möbelhauses, Plausibilitätsprüfung zur
Auswirkungsanalyse, Einzelhandelskonzeption der Stadt Bad Vilbel,
Verkehrsuntersuchung, Zusatzbewertung Landschaftsbild, Lokal klimatischer
Bewertung, Schalltechnischer Untersuchung zum Gewerbelärm und Schalltechnischer
Untersuchung zum Verkehrslärm wurden vorgelegt.
Hinweis: (Um
überflüssige Kopierarbeiten und Papier zu sparen sind alle Anlagen (01 – 10)
dieser Vorlage
in „Session“ angefügt).
Seitens
der Stadt Friedberg wurde die Stadt- und Regionalentwicklungs GmbH Dr. Donato
Acocella mit der Plausibilitätsprüfung der von der Stadt Bad Vilbel
erstellten/zugrunde gelegten Gutachten beauftragt. Diese Stellungnahme (Anlage
00) ist zusätzlich als Papierausdruck der Vorlage angelegt worden.
Die von der Stadt Friedberg beauftragte Plausibilitätsprüfung
kommt zu folgendem Ergebnis:
„ERGEBNIS
Die
Auswirkungsanalyse der GMA weist - ohne Auseinandersetzung im Detail - keine
erkennbaren methodischen Fehler auf - auch wenn bezüglich des
worst-case-Ansatzes einige Aspekte wirkungsbezogen eher keinen worst case
darstellen (vgl. Kap. 2.2). Dennoch stellen die von der GMA angesetzten/
ermittelten Flächenleistungen insbesondere bei den Sortimenten, für die gegen
den Einzelhandel in Friedberg überhaupt nachweisbare Umverteilungen abgeleitet
wurden, durchaus einen worst case dar (Kap. 2.5.1).
Ohnehin waren nach der
starken Begrenzung der zentrenrelevanten Randsortimente im Vergleich zu den
ursprünglichen Planungen von 2010 (zunächst 5.000 m2, später 3.900 m2 VKF)
keine wesentlichen Beeinträchtigungen der zentralen Versorgungsbereiche mehr zu
erwarten (vgl. Kap. 2.1).
Bei den nicht
zentrenrelevanten Sortimenten erscheint ein Abstellen auf höhere relative
Umverteilungswerte - wie die von der GMA benannten 20% - nachvollziehbar (vgl.
Kap. 2.5.1).
Damit ist gemessen an den ausgelösten Umverteilungen
keine wesentliche Beeinträchtigung der Stadt Friedberg durch das Vorhaben in
Bad Vilbel zu erwarten (vgl. Kap. 2.5.1).
Allerdings erfüllt die Auswirkungsanalyse der GMA die
Anforderung der Transparenz von Verträglichkeitsuntersuchungen nur
eingeschränkt: Die Ist-Situation in den einzelnen Städten wird von der GMA
nicht übersichtlich (in einer Tabelle) und nicht vollständig (ohne
Zentralitäten) dargestellt (Kap. 2.4).
In der Folge
thematisiert die GMA nicht, dass Friedberg bei den untersuchten Sortimenten
gemessen an der zentralörtlichen Funktion als Mittelzentrum mit Teilfunktionen
eines Oberzentrums ein äußerst geringes Angebot aufweist (vgl. ferner Kap.
2.1).
Wäre eine
solche Darstellung insbesondere der Zentralitäten erfolgt, so wäre die Frage
nach der Ursache zu klären gewesen. Ursächlich dafür können Vorschädigungen der
Stadt Friedberg sein.
Gerade nachdem
die GMA selbst die Thematisierung von Vorschädigungen zu den „einschlägigen
wissenschaftlichen Standards zählt (Kap. 2.3), wäre im Fall von Friedberg
gemessen“ an diesem Maßstab die Auseinandersetzung
mit möglichen Vorschädigungen zwingend gewesen.
Im Fall von
Vorschädigungen stellt sich die Frage, ob Maßstab für eine Unverträglichkeit
tatsächlich in erster Linie die ausgelösten Umverteilungen sein sollten: Wo
kein Einzelhandel mehr in größerem Umfang vorhanden ist, können sich keine nachweisbaren
Umverteilungen mehr ergeben (Kap. 2.5.2).
In diesem Fall
wäre es sinnvoller, die Unverträglichkeit daran zu messen, ob Entwicklungsmöglichkeiten,
die zur Wahrnehmung der zentralörtlichen Funktion ergriffen werden können,
durch ein Vorhaben wesentlich beschnitten werden.
In diesem Sinne ist
eine Beeinträchtigung des Mittelzentrums
mit Teilfunktionen eines Oberzentrums Friedberg möglich - und auf Grundlage der Auswirkungsanalyse der
GMA nicht auszuschließen.
Die
Plausibilitätsprüfung von Stadt + Handel hat die Auswirkungsanalyse der GMA im
Wesentlichen bestätigt. Auf die hier
angeführten Aspekte ist Stadt + Handel nicht eingegangen.
Ergänzend wurden
vorliegend einige Aspekte, die auch den B-Plan betreffen, aufgeführt (Kap.
2.6):
·
Es ist
unklar, warum ein Flächenpool lediglich für die 800 m2 VKF zentrenrelevanter
Randsortimente gebildet wird - und für die übrigen 44.200 m2 VKF ein starres
Sortimentskonzept festgesetzt wird.
·
Babyartikel
setzen sich aus verschiedenen Sortimenten zusammen.
·
Die
Argumentation zur Einstufung von Lampen/ Leuchten als nicht zentrenrelevant in
Bad Vilbel ist nachvollziehbar. Allerdings lässt die GMA im Unklaren, ob das
Einvernehmen mit der Regionalversammlung Südhessen sowie mit dem Planungsverband
hergestellt wurde.“
Fazit:
Auch wenn die Errichtung eines Möbelhauses in der
geplanten Größenordnung seitens der Stadt Friedberg aus verschiedenen Aspekten
kritisch gesehen wird, kann das Vorhaben „Segmüller“ aus planerischer und
rechtlich fundierter Sicht seitens der Stadt Friedberg nicht verhindert werden.
In der abzugebenden Stellungnahme (s.
Beschlussvorschlag) wird, da das Vorhaben aus planungsrechtlichen Gründen nicht
verhindert werden kann, dem Bebauungsplanverfahren „5. Änderung „Im Schleid“ im
Rahmen der Beteiligung gem. §§ 2 (2) und
4 (2) BauGB unter Beibehaltung der bereits vorgetragenen
grundsätzlichen Bedenken, zugestimmt.