hier: Erhebung von Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 2 BauGB bzw. Erlass einer Satzung nach § 154 Abs. 2a BauGB
Beschlussentwurf:
Mit der Aufhebung
der Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes Altstadt
werden Ausgleichsbeträge nach § 154 Abs. 2 BauGB erhoben.
Der Erlass einer
Satzung nach § 154 Abs. 2a BauGB wird abgelehnt.
Sach- und Rechtslage:
Im Zuge der
Beendigung des Sanierungsverfahrens hat
sich die Frage gestellt, ob die Ausgleichsbeträge nach dem herkömmlichen
Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 BauGB erhoben werden oder ob von der Möglichkeit
des Erlasses einer Satzung nach § 154 Abs. 2a BauGB zur Einführung eines
„kleinen Erschließungsbeitrags“ Gebrauch gemacht werden kann.
Bei der Ermittlung des Ausgleichsbetrags nach §
154 Abs. 2 BauGB errechnet sich der Ausgleichsbetrag aus dem Unterschied
zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine
Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert) und
dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und
tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes ergibt
(Endwert).
Bei der Regelung nach § 154 Abs. 2a BauGB
handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren zur Erhebung des
Ausgleichsbetrages, das vom Bundesgesetzgeber ab 1.1.2007 durch eine
Gesetzesnovelle eingeführt wurde (sog. „kleiner Erschließungsbeitrag).
Im Gegensatz zur herkömmlichen Ermittlung nach §
154 Abs. 2 BauGB wird der Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 2a BauGB nach dem
Aufwand für die Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne
des § 127 Abs. 2 Nr. 1 - 3 BauGB (Verkehrsanlagen) berechnet.
II.
Voraussetzungen
für die Einführung des Ausgleichsbetrags nach § 154 Abs. 2a BauGB (sog.
„kleiner Erschließungsbeitrag“)
- Vorliegen von
Anhaltspunkten
Zunächst müssen
gemäß § 154 Abs. 2 a Satz 1 Halbsatz 2.
BauGB Anhaltspunkte vorliegen, dass die sanierungsbedingte
Bodenwerterhöhung der Grundstücke nicht wesentlich über der Hälfte des Aufwands
für die Verbesserung oder Erweiterung von Erschließungsanlagen liegt.
Ist dies der Fall,
berechnet sich der Ausgleichsbetrag für das einzelne Grundstück anhand der
Kosten nach dem Verhältnis seiner Fläche zur Gesamtfläche des
Sanierungsgebietes ohne die Flächen für Verkehrsanlagen. Das Verfahren nach §
154 Abs. 2a BauGB ist durch Satzung festzulegen.
Gemäß dem
Muster-Einführungserlass zum BauGBÄndG 2007 reicht für die Feststellung solcher
Anhaltspunkte eine überschlägige Prüfung aus; einer Wertermittlung bedarf es
nicht.
Bezogen auf das Sanierungsgebiet in Friedberg ergibt sich
folgende Situation:
Der bislang
getätigte und durch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte geprüfte
Aufwand für Erschließungsmaßnahmen (Stand 31.12.2013) beträgt 4.453.945,02 EUR.
Hinzu kommt der bislang ungeprüfte Aufwand (Schlussrechnungen der
Erschließungsmaßnahmen: Judenplacken, Engelsgasse, Augustinergasse sowie
Planungskosten Elvis-Presley-Platz) für das Jahr 2014, der sich auf 22.790,24
EUR beläuft.
Das bedeutet, dass
die sanierungsbedingte Werterhöhung nicht wesentlich über 2,2 Mio. EUR liegen
dürfte. Hierin sind die Kosten für den Ausbau des Elvis-Presley-Platzes
allerdings noch nicht enthalten. Hierdurch wird sich die Summe auf ca. 2,7 Mio.
EUR erhöhen.
Aus dem
Zonenwertgutachten des Gutachterausschusses errechnen sich Ausgleichsbeträge in
Höhe von insgesamt ca. 3,5 Mio EUR.
Seit 2004 bis zum
31.12.2013 wurden im Rahmen von Ablösevereinbarungen Ausgleichsbeträge in Höhe
von rund 900.000,00 EUR eingenommen und rund
ein Drittel der Grundstücke wurde aus der Sanierung entlassen.
Grundlage für
diese freiwilligen Vereinbarungen waren die aus dem Zonenwertgutachten des
Gutachterausschusses entnommenen Werte.
Die in der letzten
Zeit in Auftrag gegebenen Einzelgutachten, die im Rahmen der Bescheidverfahren
grundstücksbezogen beauftragt wurden, zeigen nun allerdings, dass die nach
Zonenwertgutachten zu erwartenden Ausgleichsbeträge in dieser ursprünglich
angenommenen Höhe – zumindest für Teilbereiche - nicht mehr zu erwarten sind.
In den vorliegenden Gutachten hat der Gutachterausschuss für den Bereich des
Wetteraukreis Abschläge von bis zu 50% vom Zonenwert vorgenommen.
Dies begründet
sich zum einen aus dem aktualisierten Niedersachsen Modell, - so wurde die
Wertstufe 0 eingeführt -, zum anderen damit, dass nicht alle angestrebten
Sanierungsziele aus Sicht der Gutachter umgesetzt werden konnten.
Allerdings sind
die zuvor beschriebenen Abschläge in den Einzelwertgutachten nicht
repräsentativ für das gesamte Sanierungsgebiet und nicht vollständig auf dieses
zu übertragen.
Es gibt Bereiche
im Sanierungsgebiet, in denen mit deutlich geringeren oder keinen Abschlägen zu
rechnen ist, da hier die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen, grundstücksbezogen,
stärkere Wertsteigerungen erwarten lassen.
Eine Berechnung der zu erwartenden und nach § 154 Abs. 4
BauGB zu berechnenden Ausgleichsbeträge
ist aus diesem Grund derzeit nur schwer möglich. Es ist aber in jedem Fall
davon auszugehen, dass sie die Grenze von 2,2 Mio EUR übersteigen.
- Berechnung
des Ausgleichsbetrags im Sanierungsgebiet nach § 154 Abs. 2a BauGB und
Gleichbehandlungsgebot
Selbst wenn man
die vom Gesetz geforderten Anhaltspunkte im Sanierungsgebiet Friedberg als
gegeben ansehen würde, sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
a.
Nach dem Gesetzeswortlaut kann die Gemeinde durch
Satzung bestimmen, dass „der Ausgleichsbetrag abweichend „………. in dem
Sanierungsgebiet zu berechnen ist.“
Dies bedeutet,
dass Gegenstand der Satzung für das kostenorientierte Verfahren nach § 154 Abs.
2a BauGB nur das gesamte Sanierungsgebiet und nicht einzelne
Teilbereiche sein kann.
b.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die
Ausgleichsbetragserhebung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung erfolgen muss
(Artikel 3 GG).
Soweit im
Sanierungsgebiet bereits sanierungsbedingte Werterhöhungen im Wege des
Durchgangserwerbs oder durch eine Ablösung bzw. vorzeitige Festsetzung des
Ausgleichsbetrags geltend gemacht worden sind, kann danach das Verfahren nach §
154 Abs. 2a BauGB nicht mehr erfolgen.
Dies hat der
Hessische Städte- und Gemeindebund in einer rechtlichen Stellungnahme bestätigt
und wird in den einschlägigen Kommentierungen zu § 154 Abs. 2a BauGB ausgeführt.
Für das
Sanierungsgebiet Friedberg ergibt sich folgende Situation:
Bereits seit 2004 - also drei Jahre, bevor der
Gesetzgeber eine Zulassung des kostenorientierten Erhebungsverfahrens
ermöglicht hat - werden in Friedberg
Ausgleichsbeträge nach den Modalitäten des § 154 Abs. 1 und 2 BauGB erhoben.
In einer Bürgerversammlung im Juli 2004 in der
Friedberger Stadthalle wurde die Systematik vom damals noch existenten
Gutachterausschuss für den Bereich der Stadt Friedberg ausgiebig erläutert.
Seitdem wurden mehr als 100
Ablösevereinbarungen abgeschlossen; die betreffenden Eigentümer sind mit ihren
Grundstücken seit etlichen Jahren aus der Sanierung entlassen, so dass die
sanierungsrechtlichen Vorschriften damit für diese Grundstücke nicht mehr
anzuwenden waren. Die Grundstücke sind zudem über das gesamte Sanierungsgebiet
verteilt, so dass es keine Bereiche gibt, die flächendeckend entlassen wurden.
Aufgrund des
geschilderten Verfahrensstandes ist deshalb eine teilräumliche Anwendung des
kostenorientierten Erhebungsverfahrens rechtlich nicht mehr möglich, da bereits
Ausgleichsbeträge nach dem bodenwertorientierten Verfahren in Friedberg in
erheblichem Umfang erhoben wurden und die bisherige Entlassung
einzelfallbezogen und nicht flächendeckend vorgenommen wurde.
In den
einschlägigen Kommentierungen gibt es darüber hinaus weitere Vorbehalte gegen das vereinfachte
Erhebungsverfahren, die insbesondere auf die Friedberger Situation zutreffen
und in die rechtliche Prüfung mit einzubeziehen sind.
So seien diese
Vorschriften nur in homogenen Sanierungsgebieten anwendbar, wonach alle
Grundstücke von einem Ausbau der Erschließungsanlage profitieren. Gehen mit der
Erweiterung und Verbesserung der Erschließungsanlagen indessen für einzelne
Grundstücke keine Erschließungsvorteile einher, wird die Erhebung von
Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 2a BauGB für problematisch gehalten.
Aus diesen Gründen
wurde für die Anwendung des vereinfachten Erhebungsverfahrens prognostiziert,
dass dieses nur bei einer sehr beschränkten Anzahl von Sanierungsgebieten zur
Anwendung kommen wird, was sich in der Praxis auch bewahrheitet hat. Bundesweit
wird das Verfahren so gut wie nicht angewendet.
Im
Sanierungsgebiet in Friedberg kann von einer Homogenität der Situation
überhaupt keine Rede sein. Hierbei spielen mehrere Gesichtspunkte eine Rolle:
a.
Die Größe des Gebietes
b.
Unterschiedliche Nutzungsstrukturen
c.
Unterschiedliche Bodenanfangswerte
d.
Unterschiedliche Größenstrukturen
Die Kaiserstraße
ist geprägt von einer überwiegend gewerblichen Nutzung. Dem stehen nahezu reine
Wohnnutzungen im übrigen Bereich des Sanierungsgebietes, wie z.B. im westlichen zur Seewiese orientierten
Bereich oder in vielen Altstadtgassen gegenüber.
Diese Unterschiede
drücken sich auch bereits in der Spanne der Bodenanfangswerte aus:
So liegen
beispielsweise die Anfangswerte in Zone 12 an der Alten Bahnhofstraße bei
180,-- EUR/m² mit einer Wertsteigerung (gemäß Zonenwertgutachten) von 3% (das
bedeutet ein Ausgleichsbetrag von 5,40 EUR/m²).
Demgegenüber hat
ein Grundstück in der Zone 4, auf der westlichen Kaiserstraßenseite gelegen,
einen Anfangswert von 720,-- EUR/m² mit einer Wertsteigerung von 14 %, was
einem Ausgleichsbetrag von 100,80 EUR/m²
entspricht.
Würde man nun eine
Vergleichsrechnung anstellen und ein theoretisches Grundstück von 100 m² als
Mustergrundstück annehmen, so wäre nach der herkömmlichen Berechnung an der
Alten Bahnhofstraße ein Ausgleichsbetrag von 540,-- EUR zu zahlen, an der
Kaiserstraße ein Betrag von 10.080,-- EUR.
|
Alte Bahnhofstr. |
Westliche
Kaiserstr |
Zone |
12 |
4 |
Anfangswert |
180,00 EUR |
720,00 EUR |
Wertsteigerung |
3% |
14% |
Endwert |
185,40 EUR |
820,80 EUR |
Ausgleichsbetrag/qm |
5,40 EUR |
100,80 EUR |
Selbst wenn diese
Werte nach derzeitigem Kenntnisstand in einem
Einzelgutachten nicht zwingend in gleicher Höhe bestätigt würden, so ist die Problematik der unterschiedlichen
Wertigkeit der Gebiete im Friedberger Sanierungsgebiet doch sehr deutlich
erkennbar. Dies belegt auch in die aktuelle Bodenrichtwertkarte des
Gutachterausschusses.
Würde man
stattdessen das kostenorientierte Verfahren nach § 154 Abs. 2a BauGB anwenden,
würde dies zu einer Nivellierung des Ausgleichsbetrages für alle
Grundstückseigentümer führen:
Die Eigentümer von
Grundstücken mit geringen Bodenwertsteigerungen bzw. geringen Bodenwerten
müssten deutlich höhere Beiträge zahlen, während die Eigentümer mit hohen
Bodenwertsteigerungen und Bodenwerten entlastet würden. Dass diese Eigentümer
deshalb ein Interesse an der Einführung des sog. kleinen Erschließungsbeitrags
haben, liegt auf der Hand. Benachteiligt würden vor allem die Eigentümer in den
Randbereichen des Sanierungsgebietes – vor allem abseits der Kaiserstraße.
Hier würde mit
unterschiedlichem Maß gemessen und dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht Genüge
getan.
Ähnlich
indifferent sind die Grundstückszuschnitte in der Friedberger Innenstadt. So
sind Grundstücke von ca. 90 qm in der Altstadt nur schwer mit großen
Gewerbegrundstücken von 500 – 1.000 und mehr Quadratmetern zu vergleichen.
Im Ergebnis ist
aus rechtlichen Gründen der Erlass einer Satzung nach § 154 Abs. 2a BauGB und
die Einführung des sog. kleinen Erschließungsbeitrags nicht möglich.
Darüber hinaus ermöglicht
das Angebot der Stadt, für jedes Grundstück eine Bodenwertermittlung durch ein
Einzelgutachten zu durchführen zu lassen, die tatsächlichen Gegebenheiten des
Einzelfalls zu berücksichtigen.