Betreff
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Haushalt 2020 - Bericht gemäß § 28 Abs. 2 GemHVO
Vorlage
16-21/1480
Aktenzeichen
20/0 Gö/JB
Art
Mitteilungsvorlage

 

Der Bericht über das Eintreten einer wesentlichen Verschlechterung des geplanten Ergebnisses im Ergebnishaushalt 2020 und im Finanzhaushalt 2020 infolge der Corona-Pandemie wird zur Kenntnis genommen.

 

Sach- und Rechtslage:

 

Gemäß § 28 Abs. 2 GemHVO ist die Stadtverordnetenversammlung unverzüglich zu unterrichten, wenn sich abzeichnet, dass sich das geplante Ergebnis des Ergebnishaushaltes oder des Finanzhaushaltes wesentlich verschlechtert. Diese Vorschrift konkretisiert die Regelung in § 50 Abs. 3 HGO, nach der der Magistrat die Stadtverordnetenversammlung über alle wichtigen Verwaltungsangelegenheiten zu unterrichten hat. Die wesentli­che Verschlechterung des geplanten Ergebnisses des Ergebnishaushalts oder des Finanz­haushalts gehört zu den wichtigsten Angelegenheiten.

 

Eine wesentliche Verschlechterung des geplanten Ergebnisses tritt ein, wenn z.B. ein geplanter Überschuss nicht mehr erwar­tet werden kann oder stattdessen sogar ein Fehlbetrag entstehen wird.

 

Der am 12.12.2019 beschlossene Haushaltsplan 2020 der Stadt Friedberg (Hessen) schließt im Ergebnishaushalt mit einem Überschuss in Höhe von rd. 350 TEUR und im Finanzhaushalt mit einem Zahlungsmittelüberschuss von rd. 1,4 Mio. EUR ab.

 

Aufgrund der Corona-Pandemie ist sowohl im Ergebnishaushalt als auch im Finanzhaushalt von einer wesentlichen Verschlechterung des geplanten Ergebnisses auszugehen. Im Ergebnishaushalt ist ein deutlicher Fehlbetrag zu erwarten, im Finanzhaushalt ist mit einem Zahlungsmittelfehlbedarf zu rechnen. Die Höhe der Fehlbeträge lässt sich derzeit aufgrund weitreichender Unwägbarkeiten bei zahlreichen Einflussfaktoren sowie aufgrund wesentlicher noch fehlender übergeordneter Festlegungen (z.B. Dauer und Umfang weiterer pandemiebedingter Einschränkungen in der Zukunft für Wirtschaft und Gesellschaft, Art und Umfang etwaiger Unterstützungsmaßnahmen für die Kommunen auf Landes- und Bundesebene) noch nicht beziffern. Der vorliegende Bericht informiert daher pflichtgemäß über die Tatsache des Eintretens der o.g. negativen Entwicklungen im Vergleich zum Haushaltsplan 2020. Über das Ausmaß der Entwicklung kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden. Hierüber wird mit fortschreitendem Erkenntnisgewinn zu den relevanten Einflussfaktoren im weiteren Jahresverlauf u.a. in den Quartalsberichten gem. § 28 Abs. 1 GemHVO berichtet werden.

 

Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene für die kommunale Haushaltswirtschaft infolge der Coro­na-Pandemie

 

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose (Quelle: Webauftritt Handelsblatt vom 8.4.2020) infolge der Corona-Pandemie vom stärksten Wachstumseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Nach Mitteilung des Münchner ifo-Instituts vom 30.4.2020 stürzt das Corona-Virus „fast die ganze Welt in eine Rezession“. Besonders stark betrifft dies nach seiner Prognose die Eurozone, für die eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 5,3 Prozent vorausgesagt wird. Deutschland ist nach dieser Prognose mit einem Minus von 5 Prozent stark betroffen. Die Bundesregierung erwartet in ihrer Frühjahrsprojektion sogar ein Sinken des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2020 um 6,3 Prozent. Im Deutschen Stabilitätsprogramm 2020 wird für das laufende Jahr mit einem gesamtstaatlichen Defizit in Höhe von über 7 % des BIP gerechnet.

 

Als Folge der Pandemie ist die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit in Deutschland bis Ende April 2020 auf 10,1 Mio. hochgeschnellt; dies wäre fast jeder dritte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Die Bundesagentur für Arbeit geht allerdings davon aus, dass nicht jede Anzeige nach näherer Prüfung tatsächlich zu Kurzarbeit führen wird. In ihrem Negativszenario rechnet die Arbeitsagentur daher mit bis zu 8 Mio. Kurzarbeitern in der Spitze. Nur wenige Branchen sind in der Corona-Krise nicht von Kurzarbeit betroffen. Die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Menschen stieg im April gegenüber dem Vormonat um 308.000 auf 2,644 Millionen, die Arbeitslosenquote stieg auf 5,8 Prozent. Ein signifikanter Anstieg ist auch bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verzeichnen.

 

Die Rezession hat bereits im März begonnen: Im 1. Quartal verlor das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 1,9 Prozent (Start des shutdowns war am 16. März). Für das zweite Quartal 2020 erwarten die Forscher „den großen Corona-Einbruch“: 9,8 Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni verlieren. Aufgrund der umfangreichen Hilfsmaßnahmen von Bund und Ländern erwartet das ifo-Institut allerdings auch, dass die Hilfen eine Insolvenzwelle verhindern werden und der Aufschwung deshalb schnell wieder einsetzen kann.

 

Die ergriffenen Maßnahmen führen indessen zu einer massiven Verschlechterung der staatlichen Finanzlage. Im deutschen Stabilitätsprogramm 2020 wird erwartet, dass der Schuldenstand auf über 75 % des BIP ansteigen kann.

 

Der Deutsche Städtetag ging im April in einem „Best-Case-Szenario“ (BIP-Rückgang von nominal 5 %) von Steuerausfällen für die Städte und Gemeinden in Höhe von 10 Mrd. Euro und Mehrausgaben im Sozialbereich von 5 Mrd. Euro aus. Je nach Szenario sind nach seiner Einschätzung Einnahmenrückgänge/Ausgabenzuwächse allein für das Jahr 2020 für die Kommunalebene in der Größenordnung von 350 Euro pro Einwohner „ohne Zweifel im Bereich des Möglichen“. Diese Annahme würde für die Stadt Friedberg (Hessen) mit knapp 30.000 Einwohnern ein Defizit von ca. 10 Mio. € im Ergebnishaushalt bedeuten. Hierbei ist anzumerken, dass dem Deutschen Städtetag auch viele Großstädte angehören; diese sind unmittelbar Sozialleistungsträger, so dass Mehrausgaben für Sozialleistungen bei diesen unmittelbar zu Buche schlagen. Demgegenüber werden kreisangehörige Städte und Gemeinden wie die Stadt Friedberg (Hessen) von diesen Mehrausgaben insbesondere mittelbar durch Erhöhungen der Kreisumlagen betroffen sein.

 

Die zu erwartende Gesamtbelastung der kommunalen Ebene setzt sich nach Einschätzung des Deutschen Städtetags vom April 2020 aus folgenden Komponenten zusammen:

·          Rückgang der Steuereinnahmen (Anteil: 50 %) – v.a. Gewerbesteuer, Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer

·          Mehrausgaben im Sozialbereich (Anteil: 25 %)

·          Rückgang der Kita-Beiträge (Anteil: 15 %)

·          Rückgang von Eintrittsgeldern und Benutzungsgebühren, fehlende Kommunal­steuern (Anteil: un­ter 10 %)

 

In seiner jüngsten Erklärung vom 5.5.2020 erwartet der Deutsche Städtetag „beispiellose Einbußen“ durch die Corona-Krise. Städtetagspräsident Burkhard Jung: „Die kommunalen Haushalte werden so hohe Einbußen erleiden, wie wir sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gesehen haben.“ Mindestens 15 bis 20 Prozent der Gewerbesteuer werden nach der Prognose des Städtetags im Bundesdurchschnitt wegbrechen, „möglicherweise sogar noch mehr“. Den stärksten Einbruch bei der Gewerbesteuer, der wichtigsten kommunalen Steuer, erwartet der Städtetag im zweiten Quartal. Der starke Rückgang der Wirtschaftsleistung werde zudem die Haushalte aller Kommunen massiv treffen. „Hohe Einnahmeverluste, aber auch der Anstieg von Ausgaben werden die Kommunen mit mindestens 20 Mrd. Euro in diesem Jahr belasten“, so Jung.

 

Die fiskalischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Land Hessen und die hessischen Kommunen sind nach Einschätzung der Hessischen Ministerien für Finanzen und des Innern sowie des Hessischen Städtetags vom 3.5.2020 „gegenwärtig schwer abschätzbar. Interne Grobschätzungen für die erwarteten Steuerausfälle im laufenden Jahr bewegen sich – abhängig vom weiteren Konjunkturverlauf – zwischen 2,5 und 5 Mrd. Euro (Land) sowie zwischen 1,4 und 2,5 Mrd. Euro (Kommunen).“

 

Das Ausmaß der Rezession wird insbesondere durch die Länge und Schärfe des shutdowns und die Dauer der nachfolgenden Erholungsphase bestimmt. Eine detailliertere Abschätzung der Auswirkungen mit verlässlichen Zahlen wird frühestens im Sommer/Herbst 2020 zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für die kommunalen Steuermindereinnahmen. Auch die Hessischen Ministerien für Finanzen und des Innern waren sich am 3.5.2020 mit dem Hessischen Städtetag hierüber einig: „Angesichts der dynamischen Entwicklungen (siehe z.B. den aktuellen ifoGeschäftsklimaindex) und einer bisher noch unzureichenden Datenbasis lässt sich das Ausmaß und der Verlauf der Krise derzeit noch nicht abschätzen. (…) Das eigentliche Problem werden die prophezeiten kommunalen Steuermindereinnahmen insbesondere bei der Gewerbesteuer sein. Hier besteht Einvernehmen, dass ein Beziffern dieser Beträge wohl frühestens mit der angedachten weiteren Steuerschätzung im Sommer (vss. August) möglich sein wird. Dies gilt auch für die Auswirkungen der geänderten Steuereinnahmeerwartungen auf den Kommunalen Finanzausgleich der Jahre 2021 und 2022.“

 

Der Kommunale Finanzausgleich im laufenden Jahr 2020 wird nach Mitteilung des Hessischen Finanzministeriums nicht zu Lasten der Kommunen verändert. Jedoch im Jahr 2021 sind aufgrund der Folgewirkungen der Corona-Pandemie im Kommunalen Finanzausgleich selbst im Fall einer schnellen konjunkturellen Erholung voraussichtlich zusätzliche Belastungen für die Kommunen zu erwarten.

 

Maßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Kommunen

 

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Negativentwicklung von historischem Ausmaß fordern die Kommunalen Spitzenverbände auf Bundes- und Landesebene nachhaltige Unterstützungsmaßnahmen für die Städte und Gemeinden.

 

Der Deutsche Städtetag appellierte zuletzt in einer Erklärung vom 5.5.2020, dass eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern notwendig sei, um die Handlungsfähigkeit der Städte sicherzustellen. Er forderte einen Kommunalen Rettungsschirm, der mit einem zweistelligen Milliardenbetrag unterlegt ist. „Kommunale Einnahmeverluste und Mehrausgaben müssen damit in großem Umfang von Bund und Ländern kompensiert werden. Denn unsere Städte müssen in, aber auch nach der Krise handlungs- und leistungsfähig sein. Sie müssen die Folgen der Krise bewältigen und ihren Bürgerinnen und Bürgern gute Dienstleistungen anbieten, Vereine und Verbände unterstützen, die Stadtentwicklung vorantreiben, Kitas und Schulen bauen“, so der Präsident des Deutschen Städtetags Burkhard Jung. Von den Ländern erwartet der Deutsche Städtetag, dass sie einen erheblichen Teil zu einem Rettungsschirm für die Kommunen beitragen: „Sie werden eigene zusätzliche Mittel in die Hand nehmen müssen, damit ihre Städte handlungsfähig bleiben. Die Länder werden die kommunale Finanzausstattung durch ihre Gemeindefinanzierungsgesetze für das nächste Jahr so aufstocken müssen, dass dies gelingt“, so der Präsident.

 

Der Hessische Städtetag hat bereits Mitte April 2020 folgende Notwendigkeiten zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Kommunen erkannt:

Ø  Zunächst muss über schnell umsetzbare Änderungen des Haushaltsrechts und gesicherten Zugang zu Liquiditätskrediten die Handlungsfähigkeit gesichert werden.

Ø  Rettungsschirme werden zwingend notwendig sein, damit nicht flächendeckend negatives Eigenkapital vorhanden ist. Das genaue Ausmaß des notwendigen Volumens eines allgemeinen Rettungsschirms wird jedoch ggfs. erst im August 2020 abschätzbar sein.

Ø  Zudem ist die Sicherung der Investitionstätigkeit erforderlich.

 

Am 5. Mai 2020 hat das Präsidium des Hessischen Städtetags daraufhin die kommunalen Erwartungen an das Land Hessen in Form folgender Eckpunkte adressiert:

„Das Präsidium

·         fordert von der Landesregierung, dass sie angesichts der massiven finanziellen Belastungen die hessischen Kommunen durch originäre Landesmittel unterstützt.

·         bewertet positiv, dass die Landesregierung den Kommunalen Finanzausgleich 2020 nicht zu Lasten der Kommunen verändert, fordert aber über reine Liquiditätshilfen hinaus nachhaltige finanzielle Unterstützung etwa durch Hilfen des Landes für die ausfallende Kindertagesstättenfinanzierung.

·         sieht die Handlungsoptionen des Hessischen Finanzministeriums für einen verstärkten Investitionsschub bei den Kommunen positiv, aber nicht ausreichend, um einen nachhaltigen Betrag zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage zu leisten.

·         erwartet für den kommunalen Haushaltsplan 2021 den Verzicht auf Haushaltssicherungskonzepte und auf eine präzise Finanzplanung für die Zeit ab 2022.

·         hält es unabhängig davon für nicht sinnvoll, dass die Landesregierung vor Kenntnis der Herbst-Steuerschätzung über den Kommunalen Finanzausgleich verhandelt.“

 

Der Hessische Städtetag weist in seinem Schreiben vom 5.5.2020 auch nachdrücklich darauf hin, dass die Städte haushaltsrechtliche Unterstützung für die bereits gestartete Haushaltsplanung 2021 benötigen. „Die hohen Belastungen durch wegbrechende Einnahmen und massive zusätzliche Ausgaben werden einen Großteil der hessischen Kommunen in ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) treiben, wenn die Aufsichtsbehörden nicht für 2021 generell vom Erfordernis eines HSK Abstand nehmen. Völlig ausgeschlossen halten wir es weiterhin, mit dem Haushaltsplan 2021 ein mittelfristiges Finanzkonzept vorzulegen, das die Zeit ab 2022 mit einer nur annähernd verlässlichen Prognose verbindet. Es ist richtig, vom Erfordernis einer mittelfristigen Finanzplanung 2020 bis 2024 gänzlich Abstand zu nehmen.“

 

Die Reaktion des Landes auf diese Forderungen bleibt nun abzuwarten.

 

Haushaltswirtschaftliche Lage der Stadt Friedberg (Hessen)

 

Alle obigen Entwicklungen schlagen sich unmittelbar oder mittelbar auch in der Haushaltswirtschaft der Stadt Friedberg (Hessen) nieder. Hier können die Folgen der Corona-Pandemie in einem ersten Grob-Überblick wie folgt zusammengefasst werden: 

 

·         Ausfall städtischer Erträge, u.a. 

o    Rückgang von Steuereinnahmen (v.a. Gewerbesteuer, Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer; im Bereich der Gewerbesteuer lagen der Verwaltung bis 11.5.2020 bereits Anträge auf Aussetzung von Vorauszahlungen und Nach­zahlungen sowie Anträge auf Stundungen in Höhe von rd. 1,3 Mio. Euro vor)

o    schwindende Gebühren und Beiträge (u.a. Reduzierung von Einnahmen aus Kita-Gebühren, reduzierte Gewerbeanmeldungen, Marktgebühren, Mieteinnahmen Stadthalle, Bürgerhäuser, Parkgebühren usw.)

o    Ausbleiben von Eintrittsgeldern für kulturelle städtische Einrichtungen, Teilnehmerbeiträge für Kinder- und Jugendarbeit, Freizeiten, städtische Veranstaltungen usw.

o    Ausfall privatrechtlicher Entgelte (z.B. Miet- und Pachtzahlungen)

o    Stundungen von Forderungen und Verzicht auf Stundungszinsen

 

·         steigende Aufwendungen, u.a.

o    für Materialbeschaffung und Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie

o    für ordnungspolitische Aufgaben

o    für höhere Zuschüsse an freie und konfessionelle Kita-Träger aufgrund anteiliger Mitfinanzierung dortiger höherer Defizite

o    satzungsgemäße Ausgleichsleistungen für städtische Beteiligungen (z.B. Schwimmbad-Zweckverband)

 

gleichzeitig teilweise auch sinkende Aufwendungen im Vergleich zum Haushaltsplan, u.a.

o    Wegfall einiger Aufwendungen aufgrund des Ausfalls geplanter städtischer Veranstaltungen (vgl. Beschlussvorlage 16-21/1475 vom 28.4.20)

o    Reduzierung der Gewerbesteuerumlage aufgrund geringerer Gewerbesteuereinnahmen

 

·         Liquiditätsengpässe

 

 

Folgende Maßnahmen wurden zur Sicherung der städtischen Haushaltswirtschaft bereits ergriffen:

 

Ø  Einschränkungen der Haushaltsbewirtschaftung / Haushaltssperre:   
Die Verwaltung hat angesichts der veränderten Lage verantwortungsvoll abzuwägen, ob und welche der etatisierten Aufwendungen und Auszahlungen angesichts der erforderlich werdenden Konsolidierungsverpflichtungen in welchem Umfang tatsächlich in Anspruch genommen werden müssen. Aus diesem Grund erfolgte eine haushaltswirtschaftliche Verfügung der Kämmerin an alle Ämter mit folgenden Regelungen:

o    Auszahlungen und Aufwendungen dürfen ausschließlich getätigt werden, wenn die Stadt hierzu rechtlich (gesetzlich oder vertraglich) verpflichtet ist oder sie für die Weiterführung unaufschiebbarer Pflichtaufgaben unbedingt notwendig sind.

o    Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen des Finanzhaushalts, für die im Haushaltsplan eines Vorjahres Beträge vorgesehen waren, dürfen fortgesetzt werden (analog der vorläufigen Haushaltsführung).

o    Alle Auszahlungen und Aufwendungen, die nicht die o.g. Voraussetzungen erfüllen, bedürfen vor ihrer Durchführung der ausdrücklichen Freigabe durch die Dezernenten.

 

Ø  Sicherung der Liquidität durch Erhöhung des Rahmens für Liquiditätskredite (vgl. Beschlussvorlage 16-21/1468 vom 29.4.2020)

 

Das einzig mögliche Instrument der Stadtverordnetenversammlung, um dem geschätzten Fehlbetrag im Haushalt 2020 entgegenzuwirken, ist die Änderung der Haushaltssatzung 2020 durch den Erlass einer Nachtragssatzung. Gemäß § 98 Abs. 2 Nr. 1 HGO hat die Stadt unverzüglich eine Nachtragssatzung zu erlassen, wenn

1.     sich zeigt, dass im Ergebnishaushalt trotz Nutzung jeder Sparmöglichkeit ein erheblicher Fehlbetrag entstehen wird und der Haushaltsausgleich nur durch eine Änderung der Haushaltssatzung erreicht werden kann, 

2.     sich zeigt, dass im Finanzhaushalt ein erheblicher Fehlbetrag entstehen wird und der Haushalts­ausgleich nur durch eine Änderung der Haushaltssatzung erreicht werden kann.

 

Der Haushaltsausgleich kann „nur durch eine Änderung der Haushaltssatzung“ im Ergebnishaushalt allenfalls durch Änderung von § 5 der Haushaltssatzung mit den dort vorgesehenen Realsteuerhebesätzen (Grundsteuer, Gewerbesteuer) erreicht werden. Entsprechendes gilt für den Finanzhaushalt. Der Hessische Städte- und Gemeindebund hat in diesem Kontext angekündigt, sich dafür einsetzen zu wollen, dass ausfallende Steuereinnahmen etwa bei der Gewerbesteuer nicht durch entsprechende Grundsteuererhöhungen ausgeglichen werden müssen. Dies sei „in einer wirtschaftlichen Krisensituation mit Sicherheit das falsche Mittel.“ Durch eine Erhöhung der Grundsteuer- und/oder Gewerbesteuer-Hebesätze würden Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibende noch zusätzlich belastet. Diese Erwägung gilt auch für den Finanzhaushalt und den in § 92 Abs. 5 und 6 Nr. 2 vorgesehenen Zahlungsmittelzufluss aus laufender Verwaltungstätigkeit vom Ergebnishaushalt in den Finanzhaushalt. Im Finanzhaushalt kann allerdings eine Anpassung auch dergestalt erforderlich werden, dass höhere Einzahlungen aus Kreditaufnahmen erfolgen müssen und die Kreditermächtigung in § 2 der Haushaltssatzung entsprechend zu erhöhen wäre.

 

Es bleibt nun abzuwarten, ob und welche Regelungen im Haushaltsrecht von Bund und/oder Land Hessen in den nächsten Monaten getroffen werden und welche sonstigen Maßnahmen ergriffen werden, um die gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunalen Haushalte zumindest teilweise auszugleichen.

 

Aktuell und bis auf weiteres ist es nach Mitteilung des Hessischen Ministeriums des Innern vom 30.3.2020 gerechtfertigt, der gesetzlichen Verpflichtung der Aufstellung eines Nachtragshaushalts nicht nachzukommen, „da die Auswirkungen der zur Bekämpfung der Pandemie beschlossenen Maßnahmen derzeit nicht abgeschätzt werden können“. 

 

Als Anlage ist eine Übersicht in der Form der bekannten Quartalsberichte für den Ergebnishaushalt und den Finanzhaushalt beigefügt, die (linke Hälfte der Tabelle und Spalte mit Pfeil links) den Buchungsstand 30.4.2020 darstellt. Bezüglich der tlw. noch geringen Buchungsstände auf einzelnen Aufwandskonten (vgl. z.B. Zeile 11 / Personalaufwand) ist zu berücksichtigen, dass der Haushaltsvollzug am 30.4.2020 auch unabhängig von der Corona-Pandemie noch nicht weit fortgeschritten sein konnte, da erst nach Eingang der Haushaltsgenehmigung am 16.3.3020 die Erlaubnis zum Haushaltsvollzug bestand. Aus diesem Grund werden üblicherweise auch Quartalsberichte gemäß § 28 Abs. 1 GemHVO regelhaft erst ab dem 2. Quartal vorgelegt, um eine höhere Aussagekraft der Daten zu erreichen. Hinzu kamen vorliegend die Folgen der Corona-Pandemie (bedeutet für die Position „Personalaufwendungen“ z.B. den Ausfall von Vorstellungsgesprächen mit der Folge verzögerter Stellenbesetzungen und dementsprechend zum Buchungsstand 30.4.20 einen relativ geringen Stand der Personalkosten im Vergleich zum Planansatz = grüner Pfeil). Durch den jeweils rechten Pfeil wird der derzeit absehbare Trend infolge der Corona-Pandemie für das Jahresergebnis abgebildet.

 

Bereits zum Buchungsstand 30. April zeigen sich erste Auswirkungen der Pandemie auf den städtischen Haushalt (vgl. Pos. 01 und 02 / privatrechtliche bzw. öffentlich-rechtliche Leistungsentgelte, Pos. 05 / Steuern, Pos. 09 / sonstige ordentliche Erträge usw.). 

 

Genauere Angaben zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den städtischen Haushalt im weiteren Jahresverlauf durch Bezifferung des Umfangs der Ertragsausfälle, Aufwandssteigerungen, Zahlungsmittelzuflüsse usw. sind aus allen oben mehrfach genannten Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös möglich. Diese sind nachfolgenden Berichten im weiteren Jahresverlauf vorbehalten.