Beschlussentwurf:
Die Einführung einer Zweitwohnungssteuer im Gebiet der Stadt Friedberg (Hessen) wird zunächst nicht weiterverfolgt; die Erstellung einer Satzung wird bis auf Weiteres zurückgestellt.
Sach- und Rechtslage:
Im Juni 2018 waren in Friedberg (Hessen) rund
1.300 Zweitwohnungen gemeldet. Nach einem
Erstanschreiben an diese vom 11.10.2018, mit dem noch unverbindliche
Überlegungen zur Einführung einer Zweitwohnungssteuer mitgeteilt wurden,
verblieben 808 gemeldete
Zweitwohnungen (Stand: 13.08.2019). Somit wurden rund 500 Wohnungen aufgrund
des Erstanschreibens bereits abgemeldet.
Im Haushaltssicherungskonzept für das Jahr 2019 wurde durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung die Prüfung der Einführung einer Zweitwohnungssteuer beauftragt. Das Ergebnis der Prüfung wurde mit der Beschlussvorlage Nr. 16-21/1026 vorgelegt. Die Stadtverordnetenversammlung hat daraufhin am 17.12.2019 der Einführung einer Zweitwohnungssteuer in Friedberg (Hessen) grundsätzlich zugestimmt. Als Steuersatz waren 10 % des Wohnungsmietwerts vorgesehen. Des Weiteren sollte die Altersgruppe der 0 - 17-jährigen von der Zweitwohnungssteuer befreit werden. Zum weiteren Vorgehen war in der Beschlussvorlage mitgeteilt, dass zunächst ein Schreiben inklusive Erhebungsbogen an alle Zweitwohnungsinhaber versandt werden sollte. Die Rückmeldungen hieraus sollten eine Einschätzung ermöglichen, wie viele Steuerpflichtige verbleiben, wie viele Steuerbefreiungen ggfs. zu gewähren sein würden und ob bzw. wie sich die weitere Umsetzung der Zweitwohnungssteuer in Friedberg mit Blick auf den damit verbundenen Aufwand wirtschaftlich darstellen würde.
Ergebnis der Erhebung von Basis-Daten zur Zweitwohnungssteuer
Die Verwaltung hat daraufhin per Schreiben vom
12.11.2019 die zwischenzeitlich nur noch 684
verbliebenen Bürgerinnen und Bürger mit gemeldetem Zweitwohnsitz in Friedberg
(Hessen) über den Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversammlung zur
Einführung einer Zweitwohnungssteuer informiert. Gleichzeitig wurden diesen die
Möglichkeiten ihres weiteren Vorgehens aufgezeigt: Sollte die Nebenwohnung in
Friedberg (Hessen) zur zukünftigen Hauptwohnung erklärt werden, konnte dies bis
11.1.2020 persönlich im Bürgerbüro der Stadt Friedberg (Hessen) vorgenommen
oder ein Termin für diesen Zeitraum mit dem Bürgerbüro vereinbart werden.
Sollte die Nebenwohnung nicht mehr gewollt sein, konnte diese bis 11.1.2020 bei
der zuständigen Meldebehörde der Hauptwohnung abgemeldet werden. In beiden
Fällen würde die Steuerpflicht entfallen. Des Weiteren konnte, für den Fall,
dass die Nebenwohnung(en) in Friedberg (Hessen) beibehalten werden sollten, ein
dem Schreiben beiliegender Fragebogen bis zum 11.01.2020 ausgefüllt werden und
an die Verwaltung zurückgesendet werden, was auch per Email möglich war.
Der Fragebogen zur Zweitwohnungssteuer enthielt
allgemeine Angaben zur Person und Anschrift der Hauptwohnung, Angaben zur
Anschrift der Zweitwohnung(en), sonstige (freiwillige) Angaben, die für mögliche
Ausnahmetatbestände relevant werden konnten, sowie weitere, freiwillige
Angaben, die Informationen zur Zweitwohnung bezüglich der Mietkosten und Anzahl
der Bewohner/innen beinhalteten. Mit der Unterschrift erklärten sich die Absender/innen
einverstanden, dass die Angaben nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung
zur Durchführung des Vorgangs erfasst, verarbeitet und genutzt werden.
Nach Auswertung der bis zum Stichtag
(11.02.2020) vorliegenden 143 Fragebogen (entspricht einem Rücklauf von 20,9 %)
wurde festgestellt, dass 8 Bürger eine Zweitwohnung aufgrund einer besonderen
Nutzung gemeldet haben. Eine besondere Nutzung liegt vor, wenn die Zweitwohnung
von öffentlichen Trägern zu therapeutischen Zwecken oder für Erziehungszwecke
zur Verfügung gestellt wird oder sich in einem Alten-, Altenwohn- und
Pflegeheim oder einer sonstigen Einrichtung befindet, die der Betreuung
pflegebedürftiger oder behinderter Personen dient, oder als Zufluchtswohnung
(Frauenhaus) genutzt wird.
4 Bürger sind pflegebedürftig und zwecks Pflege
mit Zweitwohnsitz bei Familienangehörigen gemeldet, denen die Zweitwohnung
gehört. Des Weiteren sind 60 Bürger aus beruflichen Gründen oder aufgrund von
Ausbildung oder Studium mit Zweitwohnsitz in Friedberg (Hessen) gemeldet. Diese
befinden sich in einer Ehe- oder Lebenspartnerschaft und leben nicht dauernd
getrennt von ihrem Ehe- oder Lebenspartner in einer gemeinsamen Hauptwohnung,
die sich in einer anderen Gemeinde befindet. 27 Zweitwohnungsinhaber
absolvieren derzeit ein Studium oder eine Ausbildung, ihre Hauptwohnung liegt
an ihrem Studien- bzw. Ausbildungsort. Die Zweitwohnung befindet sich in der
Wohnung der Eltern bzw. eines Elternteils.
Bei insgesamt 91 Zweitwohnungsinhabern (63,63 %
der abgegebenen Fragebogen) könnten somit Tatbestände greifen, die eine
Ausnahme zur Erhebung einer Zweitwohnungssteuer darstellen, so dass eine
Steuerpflicht entfallen würde.
Nach Fristablauf der Erhebung waren am
15.01.2020 noch 665 Zweitwohnungen
volljähriger Personen gemeldet. Bei Erlass einer Satzung zur Einführung einer
Zweitwohnungssteuer in Friedberg (Hessen) kann ein weiterer Rückgang der
angemeldeten Zweitwohnungen vermutet werden.
Noch
offene Fragen im Rahmen der Grundsteuerreform
Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB)
hat mit Eildienst Nr. 14 vom 13.11.2019 darüber informiert, dass das
Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben hat, die sich
gegen die Erhebung von Zweitwohnungssteuern in zwei bayerischen Gemeinden wendeten.
Beide erhoben jeweils aufgrund kommunaler Satzungen eine Zweitwohnungssteuer,
die auf dem fiktiven jährlichen Mietaufwand basierte. Dieser wird bestimmt,
indem die nach den Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken zum
Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ermittelte fiktive Jahresrohmiete
entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Verbraucherpreisindex
hochgerechnet wird.
Die Entscheidungsgründe des BVerfG liegen in
der Tatsache, dass der Erste Senat des BVerfG bereits in seinem
Grundsteuerurteil vom 10. 4.2018 die Vorschriften der Einheitsbewertung von
Grundstücken auf Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 wegen der inzwischen
aufgetretenen Wertverzerrungen für verfassungswidrig erachtet hat. Ebenso ist eine
Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex laut BVerfG nicht geeignet, diese
Wertverzerrungen auszugleichen. Veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden,
mögliche Veränderungen in der Lage oder strukturellen Anbindung von
Grundstücken und mietrechtliche Bindungen werden bei einem derart lange
zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt nicht berücksichtigt, so dass es
inzwischen zu Verzerrungen bei den Grundstücksbewertungen gekommen ist, die
nicht mehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werden. Diese
Wertverzerrungen können nicht durch eine Hochrechnung der auf dieser Grundlage
bestimmten fiktiven Jahresrohmiete mit dem Verbraucherpreisindex ausgeglichen
werden, da die Steigerungsrate für alle Wohnungen im Gemeindegebiet die gleiche
ist, so dass eine Hochrechnung mit diesem Faktor die Wertverzerrungen gerade
nicht ausgleichen kann.
Die Länder können entscheiden, ob sie das Bundesmodell nutzen
oder eine eigene Berechnungsmethode entwickeln.
Am 08.11.2019 hat der Bundesrat der
Grundsteuerreform zugestimmt. 2025 tritt das Gesetz in Kraft. Den Ländern steht
es mit der sogenannten Öffnungsklausel jedoch frei, ob sie der
Berechnungsmethode des Bundes folgen, die sich weiterhin auf den Wert und auf
die Fläche einer Immobilie stützt, oder eigene, von der Bundesregelung
abweichende, Berechnungsmethoden entwickeln wollen.
Welche Länder von der Öffnungsklausel Gebrauch
machen werden, steht noch nicht fest. In den Ländern wird noch berechnet, wie
sich die Reform in dieser oder einer anderen Form auswirken würde.
Das Satzungsmuster des Hessischen Städte- und
Gemeindebundes sieht in § 4 die Bemessung der Zweitwohnungssteuer nach der vom
Finanzamt festgestellten Jahresrohmiete sowie deren Hochrechnung nach dem
Verbraucherpreisindex vor. Demnach bestand hier Änderungsbedarf - ein
überarbeitetes Satzungsmuster wurde gefertigt.
Das neue Satzungsmuster (siehe Anlage 1) sieht
im Kern vor, dass die Steuer sich nach dem Mietwert der Wohnung bemisst (§ 4
Abs. 1 des Musters). Als Mietwert gilt die übliche Miete, die für Räume
gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 4
Abs. 2 Satz 1 des Satzungsmusters).
Einige wenige hessische Städte (Darmstadt,
Frankfurt, Hanau, Offenbach und Wiesbaden) haben von der in § 558c des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, als
freiwillige Aufgabe einen Mietspiegel zu erstellen. Sofern ein solcher
vorhanden ist, kann eine übliche Miete anhand des Mietspiegels bestimmt werden.
In den meisten Städten und Gemeinden, wie auch
bei der Stadt Friedberg (Hessen), ist ein solcher Mietspiegel aber nicht vorhanden
und auch nicht erforderlich, um die Zweitwohnungssteuer anhand eines
pauschalisierten und amtlich ermittelten Maßstands zu errechnen. Anerkanntermaßen
ist es auch zulässig, die Zweitwohnungssteuer auf Grundlage der tatsächlich
vereinbarten und durch Vorlage des Mietvertrags nachgewiesenen Miete zu
berechnen. Diese Methode stößt aber in vielen Gemeinden an Grenzen - oft sind
Zweitwohnungen im Eigentum der Steuerpflichtigen, so dass Mietverträge nicht
vorgelegt werden können.
Um in Friedberg
(Hessen) die für den Mietwert bestimmenden Merkmale berücksichtigen zu können,
ist die Nutzung des Mietwert-Kalkulators (Mika) erforderlich, den die
Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse bei den örtlich zuständigen Ämtern für
Bodenmanagement zur Verfügung stellen. Der HSGB hat ein Muster eines Vordruckes
für eine Erklärung gemäß § 8 der Mustersatzung über die Erhebung einer
Zweitwohnungssteuer (siehe Anlage 2) zur Verfügung gestellt, in dem die
Merkmale abgefragt werden.
Anhand der individuellen Eingaben für jeden
Zweitwohnungsinhaber, die von der Verwaltung vorgenommen werden müssen,
errechnet z. B. Mika online einen statistisch abgeleiteten Wert
(Wohnraummiete). Die Basis der statistischen Auswertung bilden die
Nettokaltmieten aus den letzten vier Jahren, die aus der Kaufpreissammlung und
weiteren Datensammlungen der Gutachterausschüsse stammen. Berücksichtigt werden
bei Anwendung des Mika insbesondere die Bodenrichtwerte, das Baujahr, die Lage,
die Wohnfläche und die Ausstattung, die in einer an das Baujahr anknüpfenden
oder einer generalisierten Variante eingegeben werden kann. Da das BVerfG aber
auch Ausstattungsmerkmale erwähnt, wird seitens des HSGB im Sinne eines rechtlich
sicheren Vorgehens empfohlen, dass die Kommune durch Erklärung von den
Steuerpflichtigen auch detailliertere Ausstattungsmerkmale abfragt, die im Mika
verarbeitet werden können.
Kosten
Wie bereits in der Vorlage 16-21/1026 vom 05.09.2019 dargestellt,
entsteht für die Einführung und Bearbeitung der neuen Steuerart ein zusätzlicher
Personal- und Sachaufwand. Verlässliche Schätzungen ergeben sich erst nach
endgültiger Veranlagung der dann zu versteuernden Wohnungen. Aufgrund des neuen
Satzungsmusters und der damit verbundenen Nutzung von Mika würde sich der
zusätzliche Personal- und Sachaufwand nochmals erhöhen. Beispielhaft sei die
Verwaltung der Erklärungsbögen zur Festsetzung der Zweitwohnungssteuer, die
Eingabe der erforderlichen Daten zur Ermittlung des Mietwertes über Mika sowie
die Kosten zur Nutzung von Mika genannt.
Die zentrale Geschäftsstelle der Gutachterausschüsse für Immobilienwerte
des Landes Hessen (ZGGH) hat hierzu folgende Informationen veröffentlicht: Der
Mietwertkalkulator kann über www.gds.hessen.de aufgerufen werden
(Online-Version). Die Einzelauskunft kostet 20 EUR und wird zusammen mit einer
allgemeinen Information geliefert. Bei der Dauernutzung kann jede
Einzelauskunft für 5 EUR (zzgl. einer Bereitstellungsgebühr von 40 EUR pro
Jahr) bezogen werden. Eine dritte Möglichkeit, den Mietwertkalkulator zu nutzen,
stellt der Mietwertkalkulator auf Basis von Microsoft®Excel1 (Offline-Version)
dar. Es gibt sieben regionale Mietwertkalkulatoren. Die Mietwertkalkulatoren
können ebenfalls über www.gds.hessen.de oder bei den jeweiligen
Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse erworben und beliebig oft verwendet
werden. Sie kosten 100 EUR pro regionale Ausgabe.
Fazit
Mit der Bemessungsgrundlage der Mieten laut
Mietspiegel oder laut Mika trifft die Mustersatzung des HSGB eine typisierende
Regelung der Bemessungsgrundlage der Steuern. Das ist nach der Rechtsprechung
des BVerfG und des BVerwG zulässig. Eine Steuerbemessung anhand der tatsächlich
vereinbarten Miete ist ausdrücklich nicht erforderlich, zumal so
Ungleichbehandlungen zwischen Mietern und Eigennutzern vermieden werden.
Die Nutzung von Mika würde für die Stadt
Friedberg (Hessen) jedoch einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand und
zusätzliche Kosten bedeuten. Daher wird weiterhin eine Bemessung nach der Jahresrohmiete von der Verwaltung präferiert.
Diese ist jedoch erst möglich, wenn geklärt ist, welche Grundlage für die
Erhebung der Grundsteuer zur Anwendung kommt – die des Bundesgesetzgebers oder
eine etwaige vom Landesgesetzgeber noch zu schaffende Regelung.
Nach Abwägung aller derzeit bestehenden
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Einführung einer
Zweitwohnungssteuer – der Ergebnisse der jüngsten Erhebung, der Entwicklung der
Zahl der Zweitwohnungen im Stadtgebiet, des Personal- und Sachaufwands im Fall
der Einführung der Zweitwohnungssteuer zum jetzigen Zeitpunkt, der noch offenen
rechtlichen Grundlagen für die Klärung relevanter Abwicklungsfragen - wird
aktuell empfohlen, von der Einführung einer Zweitwohnungssteuer im Gebiet der
Stadt Friedberg (Hessen) bis auf Weiteres abzusehen.
Bei Vorliegen geänderter Voraussetzungen zu
einem späteren Zeitpunkt ist es den städtischen Gremien jederzeit freigestellt,
die Frage der Zweitwohnungssteuer erneut aufzugreifen und die Steuer durch
Verabschiedung einer Satzung einzuführen.
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Überplanmäßige und
außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen (§100 HGO) Deckungsvorschlag |
Friedberg (Hessen), den |
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( Unterschrift FB
Finanzen) |