Betreff
Zurückstellung der Einführung einer Zweitwohnungssteuer
Vorlage
16-21/1428
Aktenzeichen
20/0 Gö/GS
Art
Beschlussvorlage

Beschlussentwurf:

Die Einführung einer Zweitwohnungssteuer im Gebiet der Stadt Friedberg (Hessen) wird zunächst nicht weiterverfolgt; die Erstellung einer Satzung wird bis auf Weiteres zurückgestellt.

 


Sach- und Rechtslage:

Im Juni 2018 waren in Friedberg (Hessen) rund 1.300 Zweitwohnungen gemeldet. Nach einem Erstanschreiben an diese vom 11.10.2018, mit dem noch unverbindliche Überlegungen zur Einführung einer Zweitwohnungssteuer mitgeteilt wurden, verblieben 808 gemeldete Zweitwohnungen (Stand: 13.08.2019). Somit wurden rund 500 Wohnungen aufgrund des Erstanschreibens bereits abgemeldet.

 

Im Haushaltssicherungskonzept für das Jahr 2019 wurde durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung die Prüfung der Einführung einer Zweitwohnungssteuer beauftragt. Das Ergebnis der Prüfung wurde mit der Beschlussvorlage Nr. 16-21/1026 vorgelegt. Die Stadtverordnetenversammlung hat daraufhin am 17.12.2019 der Einführung einer Zweitwohnungssteuer in Friedberg (Hessen) grundsätzlich zugestimmt. Als Steuersatz waren 10 % des Wohnungsmietwerts vorgesehen. Des Weiteren sollte die Altersgruppe der 0 - 17-jährigen von der Zweitwohnungssteuer befreit werden. Zum weiteren Vorgehen war in der Beschlussvorlage mitgeteilt, dass zunächst ein Schreiben inklusive Erhebungsbogen an alle Zweitwohnungsinhaber versandt werden sollte. Die Rückmeldungen hieraus sollten eine Einschätzung ermöglichen, wie viele Steuerpflichtige verbleiben, wie viele Steuerbefreiungen ggfs. zu gewähren sein würden und ob bzw. wie sich die weitere Umsetzung der Zweitwohnungssteuer in Friedberg mit Blick auf den damit verbundenen Aufwand wirtschaftlich darstellen würde.

 

Ergebnis der Erhebung von Basis-Daten zur Zweitwohnungssteuer

 

Die Verwaltung hat daraufhin per Schreiben vom 12.11.2019 die zwischenzeitlich nur noch 684 verbliebenen Bürgerinnen und Bürger mit gemeldetem Zweitwohnsitz in Friedberg (Hessen) über den Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Einführung einer Zweitwohnungssteuer informiert. Gleichzeitig wurden diesen die Möglichkeiten ihres weiteren Vorgehens aufgezeigt: Sollte die Nebenwohnung in Friedberg (Hessen) zur zukünftigen Hauptwohnung erklärt werden, konnte dies bis 11.1.2020 persönlich im Bürgerbüro der Stadt Friedberg (Hessen) vorgenommen oder ein Termin für diesen Zeitraum mit dem Bürgerbüro vereinbart werden. Sollte die Nebenwohnung nicht mehr gewollt sein, konnte diese bis 11.1.2020 bei der zuständigen Meldebehörde der Hauptwohnung abgemeldet werden. In beiden Fällen würde die Steuerpflicht entfallen. Des Weiteren konnte, für den Fall, dass die Nebenwohnung(en) in Friedberg (Hessen) beibehalten werden sollten, ein dem Schreiben beiliegender Fragebogen bis zum 11.01.2020 ausgefüllt werden und an die Verwaltung zurückgesendet werden, was auch per Email möglich war.

 

Der Fragebogen zur Zweitwohnungssteuer enthielt allgemeine Angaben zur Person und Anschrift der Hauptwohnung, Angaben zur Anschrift der Zweitwohnung(en), sonstige (freiwillige) Angaben, die für mögliche Ausnahmetatbestände relevant werden konnten, sowie weitere, freiwillige Angaben, die Informationen zur Zweitwohnung bezüglich der Mietkosten und Anzahl der Bewohner/innen beinhalteten. Mit der Unterschrift erklärten sich die Absender/innen einverstanden, dass die Angaben nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung zur Durchführung des Vorgangs erfasst, verarbeitet und genutzt werden.

 

Nach Auswertung der bis zum Stichtag (11.02.2020) vorliegenden 143 Fragebogen (entspricht einem Rücklauf von 20,9 %) wurde festgestellt, dass 8 Bürger eine Zweitwohnung aufgrund einer besonderen Nutzung gemeldet haben. Eine besondere Nutzung liegt vor, wenn die Zweitwohnung von öffentlichen Trägern zu therapeutischen Zwecken oder für Erziehungszwecke zur Verfügung gestellt wird oder sich in einem Alten-, Altenwohn- und Pflegeheim oder einer sonstigen Einrichtung befindet, die der Betreuung pflegebedürftiger oder behinderter Personen dient, oder als Zufluchtswohnung (Frauenhaus) genutzt wird.

 

4 Bürger sind pflegebedürftig und zwecks Pflege mit Zweitwohnsitz bei Familienangehörigen gemeldet, denen die Zweitwohnung gehört. Des Weiteren sind 60 Bürger aus beruflichen Gründen oder aufgrund von Ausbildung oder Studium mit Zweitwohnsitz in Friedberg (Hessen) gemeldet. Diese befinden sich in einer Ehe- oder Lebenspartnerschaft und leben nicht dauernd getrennt von ihrem Ehe- oder Lebenspartner in einer gemeinsamen Hauptwohnung, die sich in einer anderen Gemeinde befindet. 27 Zweitwohnungsinhaber absolvieren derzeit ein Studium oder eine Ausbildung, ihre Hauptwohnung liegt an ihrem Studien- bzw. Ausbildungsort. Die Zweitwohnung befindet sich in der Wohnung der Eltern bzw. eines Elternteils.

 

Bei insgesamt 91 Zweitwohnungsinhabern (63,63 % der abgegebenen Fragebogen) könnten somit Tatbestände greifen, die eine Ausnahme zur Erhebung einer Zweitwohnungssteuer darstellen, so dass eine Steuerpflicht entfallen würde.

 

Nach Fristablauf der Erhebung waren am 15.01.2020 noch 665 Zweitwohnungen volljähriger Personen gemeldet. Bei Erlass einer Satzung zur Einführung einer Zweitwohnungssteuer in Friedberg (Hessen) kann ein weiterer Rückgang der angemeldeten Zweitwohnungen vermutet werden.

 

Noch offene Fragen im Rahmen der Grundsteuerreform

 

Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) hat mit Eildienst Nr. 14 vom 13.11.2019 darüber informiert, dass das Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben hat, die sich gegen die Erhebung von Zweitwohnungssteuern in zwei bayerischen Gemeinden wendeten. Beide erhoben jeweils aufgrund kommunaler Satzungen eine Zweitwohnungssteuer, die auf dem fiktiven jährlichen Mietaufwand basierte. Dieser wird bestimmt, indem die nach den Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ermittelte fiktive Jahresrohmiete entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet wird.

 

Die Entscheidungsgründe des BVerfG liegen in der Tatsache, dass der Erste Senat des BVerfG bereits in seinem Grundsteuerurteil vom 10. 4.2018 die Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken auf Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 wegen der inzwischen aufgetretenen Wertverzerrungen für verfassungswidrig erachtet hat. Ebenso ist eine Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex laut BVerfG nicht geeignet, diese Wertverzerrungen auszugleichen. Veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden, mögliche Veränderungen in der Lage oder strukturellen Anbindung von Grundstücken und mietrechtliche Bindungen werden bei einem derart lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt nicht berücksichtigt, so dass es inzwischen zu Verzerrungen bei den Grundstücksbewertungen gekommen ist, die nicht mehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werden. Diese Wertverzerrungen können nicht durch eine Hochrechnung der auf dieser Grundlage bestimmten fiktiven Jahresrohmiete mit dem Verbraucherpreisindex ausgeglichen werden, da die Steigerungsrate für alle Wohnungen im Gemeindegebiet die gleiche ist, so dass eine Hochrechnung mit diesem Faktor die Wertverzerrungen gerade nicht ausgleichen kann.

 

Die Länder können entscheiden, ob sie das Bundesmodell nutzen oder eine eigene Berechnungsmethode entwickeln.

Am 08.11.2019 hat der Bundesrat der Grundsteuerreform zugestimmt. 2025 tritt das Gesetz in Kraft. Den Ländern steht es mit der sogenannten Öffnungsklausel jedoch frei, ob sie der Berechnungsmethode des Bundes folgen, die sich weiterhin auf den Wert und auf die Fläche einer Immobilie stützt, oder eigene, von der Bundesregelung abweichende, Berechnungsmethoden entwickeln wollen.

 

Welche Länder von der Öffnungsklausel Gebrauch machen werden, steht noch nicht fest. In den Ländern wird noch berechnet, wie sich die Reform in dieser oder einer anderen Form auswirken würde.

 

Das Satzungsmuster des Hessischen Städte- und Gemeindebundes sieht in § 4 die Bemessung der Zweitwohnungssteuer nach der vom Finanzamt festgestellten Jahresrohmiete sowie deren Hochrechnung nach dem Verbraucherpreisindex vor. Demnach bestand hier Änderungsbedarf - ein überarbeitetes Satzungsmuster wurde gefertigt.

 

Das neue Satzungsmuster (siehe Anlage 1) sieht im Kern vor, dass die Steuer sich nach dem Mietwert der Wohnung bemisst (§ 4 Abs. 1 des Musters). Als Mietwert gilt die übliche Miete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 4 Abs. 2 Satz 1 des Satzungsmusters).

 

Einige wenige hessische Städte (Darmstadt, Frankfurt, Hanau, Offenbach und Wiesbaden) haben von der in § 558c des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, als freiwillige Aufgabe einen Mietspiegel zu erstellen. Sofern ein solcher vorhanden ist, kann eine übliche Miete anhand des Mietspiegels bestimmt werden.

 

In den meisten Städten und Gemeinden, wie auch bei der Stadt Friedberg (Hessen), ist ein solcher Mietspiegel aber nicht vorhanden und auch nicht erforderlich, um die Zweitwohnungssteuer anhand eines pauschalisierten und amtlich ermittelten Maßstands zu errechnen. Anerkanntermaßen ist es auch zulässig, die Zweitwohnungssteuer auf Grundlage der tatsächlich vereinbarten und durch Vorlage des Mietvertrags nachgewiesenen Miete zu berechnen. Diese Methode stößt aber in vielen Gemeinden an Grenzen - oft sind Zweitwohnungen im Eigentum der Steuerpflichtigen, so dass Mietverträge nicht vorgelegt werden können.

 

Um in Friedberg (Hessen) die für den Mietwert bestimmenden Merkmale berücksichtigen zu können, ist die Nutzung des Mietwert-Kalkulators (Mika) erforderlich, den die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse bei den örtlich zuständigen Ämtern für Bodenmanagement zur Verfügung stellen. Der HSGB hat ein Muster eines Vordruckes für eine Erklärung gemäß § 8 der Mustersatzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (siehe Anlage 2) zur Verfügung gestellt, in dem die Merkmale abgefragt werden.

 

Anhand der individuellen Eingaben für jeden Zweitwohnungsinhaber, die von der Verwaltung vorgenommen werden müssen, errechnet z. B. Mika online einen statistisch abgeleiteten Wert (Wohnraummiete). Die Basis der statistischen Auswertung bilden die Nettokaltmieten aus den letzten vier Jahren, die aus der Kaufpreissammlung und weiteren Datensammlungen der Gutachterausschüsse stammen. Berücksichtigt werden bei Anwendung des Mika insbesondere die Bodenrichtwerte, das Baujahr, die Lage, die Wohnfläche und die Ausstattung, die in einer an das Baujahr anknüpfenden oder einer generalisierten Variante eingegeben werden kann. Da das BVerfG aber auch Ausstattungsmerkmale erwähnt, wird seitens des HSGB im Sinne eines rechtlich sicheren Vorgehens empfohlen, dass die Kommune durch Erklärung von den Steuerpflichtigen auch detailliertere Ausstattungsmerkmale abfragt, die im Mika verarbeitet werden können.

 

Kosten

 

Wie bereits in der Vorlage 16-21/1026 vom 05.09.2019 dargestellt, entsteht für die Einführung und Bearbeitung der neuen Steuerart ein zusätzlicher Personal- und Sachaufwand. Verlässliche Schätzungen ergeben sich erst nach endgültiger Veranlagung der dann zu versteuernden Wohnungen. Aufgrund des neuen Satzungsmusters und der damit verbundenen Nutzung von Mika würde sich der zusätzliche Personal- und Sachaufwand nochmals erhöhen. Beispielhaft sei die Verwaltung der Erklärungsbögen zur Festsetzung der Zweitwohnungssteuer, die Eingabe der erforderlichen Daten zur Ermittlung des Mietwertes über Mika sowie die Kosten zur Nutzung von Mika genannt.

 

Die zentrale Geschäftsstelle der Gutachterausschüsse für Immobilienwerte des Landes Hessen (ZGGH) hat hierzu folgende Informationen veröffentlicht: Der Mietwertkalkulator kann über www.gds.hessen.de aufgerufen werden (Online-Version). Die Einzelauskunft kostet 20 EUR und wird zusammen mit einer allgemeinen Information geliefert. Bei der Dauernutzung kann jede Einzelauskunft für 5 EUR (zzgl. einer Bereitstellungsgebühr von 40 EUR pro Jahr) bezogen werden. Eine dritte Möglichkeit, den Mietwertkalkulator zu nutzen, stellt der Mietwertkalkulator auf Basis von Microsoft®Excel1 (Offline-Version) dar. Es gibt sieben regionale Mietwertkalkulatoren. Die Mietwertkalkulatoren können ebenfalls über www.gds.hessen.de oder bei den jeweiligen Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse erworben und beliebig oft verwendet werden. Sie kosten 100 EUR pro regionale Ausgabe.

 

Fazit

 

Mit der Bemessungsgrundlage der Mieten laut Mietspiegel oder laut Mika trifft die Mustersatzung des HSGB eine typisierende Regelung der Bemessungsgrundlage der Steuern. Das ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG zulässig. Eine Steuerbemessung anhand der tatsächlich vereinbarten Miete ist ausdrücklich nicht erforderlich, zumal so Ungleichbehandlungen zwischen Mietern und Eigennutzern vermieden werden.

 

Die Nutzung von Mika würde für die Stadt Friedberg (Hessen) jedoch einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand und zusätzliche Kosten bedeuten. Daher wird weiterhin eine Bemessung nach der Jahresrohmiete von der Verwaltung präferiert. Diese ist jedoch erst möglich, wenn geklärt ist, welche Grundlage für die Erhebung der Grundsteuer zur Anwendung kommt – die des Bundesgesetzgebers oder eine etwaige vom Landesgesetzgeber noch zu schaffende Regelung.

 

Nach Abwägung aller derzeit bestehenden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Einführung einer Zweitwohnungssteuer – der Ergebnisse der jüngsten Erhebung, der Entwicklung der Zahl der Zweitwohnungen im Stadtgebiet, des Personal- und Sachaufwands im Fall der Einführung der Zweitwohnungssteuer zum jetzigen Zeitpunkt, der noch offenen rechtlichen Grundlagen für die Klärung relevanter Abwicklungsfragen - wird aktuell empfohlen, von der Einführung einer Zweitwohnungssteuer im Gebiet der Stadt Friedberg (Hessen) bis auf Weiteres abzusehen.

 

Bei Vorliegen geänderter Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt ist es den städtischen Gremien jederzeit freigestellt, die Frage der Zweitwohnungssteuer erneut aufzugreifen und die Steuer durch Verabschiedung einer Satzung einzuführen.

 


 

Finanzielle Auswirkungen:

X

JA

NEIN

Haushaltsjahr

 

Ergebnishaushalt

Finanzhaushalt

Produkt

 

Kostenstelle

 

Investitionsnummer

 

Sachkonto

 

Einnahme oder

Ertrag

Ausgabe oder Aufwendung

Die Mittel stehen im Haushalt zur Verfügung

JA

NEIN

Überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen (§100 HGO)

Deckungsvorschlag

Friedberg (Hessen), den

Haushaltsjahr

 

 

Kostenstelle

 

Sachkonto

 

Produkt

 

Investitionsnummer

 

( Unterschrift FB Finanzen)