Beschluss: beantwortet

Anfrage:

 

  1. Bestehen seitens des Bürgermeisters bzw. des Magistrats Einwände gegen die Veröffentlichung des Sozialindex? Wenn ja, wie begründen sich diese?

 

  1. Waren die Ergebnisse oder die Veröffentlichung des Sozialindex Thema einer Bürgermeisterdienstversammlung? Wenn ja, wie hat sich der Vertreter der Stadt Friedberg dazu verhalten?

 

  1. Anhand welcher Kriterien definiert der Magistrat Armut? Konkret: Welche Grundbedürfnisse müssen nach Ansicht des Magistrats befriedigt sein, damit eine Person bzw. ein Haushalt in Friedberg nicht in Armut lebt? Welches Einkommen ist dazu nach Ansicht des Magistrats in Friedberg nötig? Welche zusätzlichen evtl. nicht monetären Leistungen können bei geringerem Einkommen angerechnet werden, um einen Haushalt bzw. eine Einzelperson nicht als „arm“ zu verstehen?

 

  1. Welche Maßnahmen plant der Magistrat zur Ermittlung von Armut in Friedberg? Ist dabei geplant (auch) auf bereits ermittelte Daten zurückzugreifen?

 

  1. Was versteht der Magistrat, insbesondere der Bürgermeister, unter einer „Armutssicherungsstadt“?

 

Bürgermeister Keller beantwortet die Anfrage wie folgt:

 

Zu 1.:

Zur Veröffentlichung des Sozialindexes bin weder ich noch der Magistrat gefragt worden.

Der Wetteraukreis entscheidet dies in eigener Zuständigkeit.

 

Zu 2.:

Über die Konferenz wurde in einer Bürgermeisterdienstversammlung unter Punkt Verschiedenes gesprochen. Da ich als einziger Bürgermeister anwesend war, habe ich aufgrund der Bedeutung des Themas dafür geworben, dass der Sozialindex offizieller Tagesordnungspunkt in einer der nächsten Bürgermeisterdienstversammlungen wird.

 

Zu 3.:

Der Magistrat hat hierzu keine festgelegte Haltung. Ich schließe mich hier der Definition der Bertelsmann-Stiftung an, dass Kinder als arm gelten, die in Familien mit Bezug sozialstaatlicher Grundsicherungsleistungen (SGB-II-Bezug) aufwachsen. Erwachsene, wenn sie Hartz IV-Empfänger oder Grundsicherung erhalten. Dieser Ansatz trifft jedoch keine Aussage zu regionalen Unterschieden in den Lebenshaltungskosten, die schon in unserer Stadt zu beobachten sind.

 

Als nicht monetäre Leistungen verstehe ich die Leistung einer Wohlfahrtsstadt wie Friedberg, die von Wohnungsbaugesellschaften, Tafel, Kleiderkammer, Jobkomm und Bildungseinrichtungen beispielsweise im Kindergarten mit frühkindlicher Spracherziehung und Mittagessen für alle Kinder und Grundschulen mit Betreuungsschulen und Horten erbracht werden.

 

Zu 4.:

Da die Stadt hier keine Zuständigkeit hat, verfügt sie über keine systematischen Beobachtungen auf diesem Gebiet.

Ich selbst beobachte aber regelmäßig die Entwicklung in den Kindertagesstätten in der Stadt. Über die einkommensabhängigen Gebühren liegt uns ein allerdings auch eingeschränkter Einblick zur Frage der Anzahl der Hartz IV-Empfänger in den Kitas vor. Mit den Leiterinnen der Kitas tausche ich mich über meine und ihre Beobachtungen aus.

 

Städtische Kitas Hartz IV           Gesamt             16 %

 Kernstadt          20 %

 Ortsteile            10 %

 

Wir liegen damit im hessischen Durchschnitt.

 

Ich habe schon in früheren Jahren – beispielsweise bei der Erstellung des Referats zur Partnerschaftskonferenz „ARMUT IN DEN STÄDTEN“ mit Datenerhebungen der Bertelsmann-Stiftung gearbeitet. Die neuesten allgemein zugänglichen Aussagen über Bildung, Arbeit und Armut finden sich – allerdings auch nur auf Landkreisebene bezogen im Lernatlas und im Keck-Atlas der Bertelsmann-Stiftung.

 

Auf Nachfrage bei der Bertelmann-Stiftung, ob hier auch Ergebnisse für Städte abrufbar sind, wurde uns erklärt, dass Daten nur auf Kreisebene vorliegen bzw. von Landesdaten ausgehend auf Kreisdaten heruntergebrochen wurden. Ähnliche Probleme hat auch der Wetteraukreis bei der Erhebung seiner Daten.

 

Ich habe -unabhängig von dieser Anfrage- die Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit dem Bildungsforum zu einem Gespräch bzw. zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung nach Friedberg eingeladen. Eine Antwort liegt uns noch nicht vor.

 

Zu 5.:

a)     Im Gegensatz zu den Referenten auf der obengenannten Konferenz, die Friedberg und Bad Nauheim als Armutsstadt definiert haben, habe ich darauf hingewiesen, dass dies ein Zerrbild ist.

b)     Es ist richtig, dass Friedberg und Bad Nauheim Städte mit absolut wie auch prozentual mehr Hartz IV- und Grundsicherungsempfänger sind, als die Landgemeinden der Wetterau. Nur, wen wundert das. Dies ist Städten immanent.

c)     Friedberg ist eine Stadt der sozialen Netze, mit einer Vielzahl von Sicherungen gegen Armut, das ist mit dem Begriff der Armutssicherungsstadt gemeint. Diese Stadt schützt vor Wohnungsnot mit ihren Wohnungsbaugesellschaften und dem Karl-Wagner-Haus, schützt vor Bekleidungsnot mit Bekleidungskammern des DRK und der Caritas und vor Lebensmittelnot mit der Tafel. Aber ebenso entscheidend ist, dass eine Vielzahl von Trägern Wege aus der Armut aufzeichnen. Wir selbst tun dies mit unseren Kindertagesstätten und ihrer Sprachförderung für alle Kinder und ihrem Mittagessen für alle Kinder, ebenso wie das breite Bildungsangebot oder die spezifischen Angebote der WAUS, der FAB und der RDW.

d)     Wie kann man eine Stadt als Armutsstadt definieren, die eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und eine breite Mobilität, um zu diesen Arbeitsplätzen in der Stadt und im Rhein-Main-Gebiet zu kommen, kennzeichnet.

 

Wir sind eine solidarische Stadt, weil hier breite gesellschaftliche Teilhabe möglich ist. Menschen kommen und bleiben bei uns, weil es hier eben keine verwüstete, heruntergekommene Infrastruktur gibt, weil es hier keine Armutsviertel mit verfallenen Industriebezirken und Wohnhäuser gibt.

 

Das ist das Ergebnis jener Grundhaltung, mit der die Bürgermeister der damals noch drei verschwisterten Städten in Bishop´s Stortford ihre Konferenz im Rahmen des Europäischen Jahres der Armut beschlossen:

 

Einmütig schloss man sich der Auffassung an, die Bürgermeister Michael Keller im Schlusssatz seines in englischen Sprache gehaltenen Referats so formuliert hatte: „Who else could provide a future without poverty if not us – the cities“ übersetzt „Niemand anders als die Städte und Kreise stehen an der Spitze im Kamp gegen die Armut und soziale Ausgrenzung“.